Rede von Kai Gehring Wissenschaftskommunikation

Foto von Kai Gehring MdB
13.03.2024

Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geehrte Damen und Herren! Einmal mehr hat sich Humboldt gerade im Grabe umgedreht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Stephan Brandner [AfD]: Wie oft denn schon?)

Trump, Putin, AfD: Wir kennen die Fake-News-Unternehmer in dieser Welt, die alternative Fakten erfinden und ihre eigene Wahrheit herbeifantasieren.

(Dr. Marc Jongen [AfD]: Das machen Sie!)

Herr Jongen war dafür einmal mehr ein trauriges Paradebeispiel.

(Stephan Brandner [AfD]: Nennen Sie mal ein Beispiel!)

Sie lenken mit Desinformationskampagnen von realen Problemen ab, verunsichern Menschen, schüren Hass und greifen unsere Demokratiewerte an.

(Stephan Brandner [AfD]: Das machen Sie seit 40 Jahren!)

Im Gegensatz dazu liefert Wissenschaft Fakten.

(Dr. Marc Jongen [AfD]: Fakten verachten Sie!)

Wissenschaft ist nicht nur eine Ressource für Innovation und zukünftigen Wohlstand, sondern auch für demokratische Prozesse und für faktenbasierte Entscheidungen in der Politik.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Stephan Seiter [FDP])

Das haben wir während der Coronapandemie besonders erlebt. Wissenschaft ist mit ihrem Wissen wesentlicher Wegbereiter aus Krisen und zur Zukunftsgestaltung. Wissenschaftskommunikation gibt der Wissenschaft eine Stimme, die über Fachkonferenzen und Fachjournale hinausreicht. Wissenschaftskommunikation stärkt das Vertrauen in Forschung und macht unsere Gesellschaft resilienter gegen Verschwörungsmythen.

Als regierungstragende Fraktion haben wir uns vorgenommen, den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft

(Stephan Brandner [AfD]: … zu beenden!)

zu verbessern. Mit diesem Antrag setzen wir auf qualitativ hochwertige Wissenschaftskommunikation, und wir setzen uns für unabhängigen Wissenschaftsjournalismus ein. So stärken wir die Stimme der Wissenschaft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wissenschaftskommunikation muss als Kernkompetenz von Forschenden begriffen und gefördert werden. Sie ist neben Forschung und Lehre ein integraler Bestandteil guter Wissenschaft. Wer in die Wissenschaft geht, muss neben Forschungsmethoden auch lernen, Ergebnisse verständlich zu kommunizieren. Wer seine Forschung vermittelt, braucht dafür zeitliche und finanzielle Ressourcen und verdient Anerkennung. Die BMBF-Forschungsförderung muss immer auch die Kommunikation beinhalten und adressieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Erfolgreiche Wissenschaftskommunikation sollte ein Karrierevorteil und Reputationsbonus für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sein. Wir schlagen unserer Regierung vor, mit einem gut dotierten Preis zu mehr Sichtbarkeit von Wissenschaftskommunikation beizutragen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Der Brückenschlag zwischen Wissenschaft und Gesellschaft gelingt vor allem auch mit partizipativen Formaten. Citizen Science, Bürger/-innenwissenschaft, Reallabore und Experimentierräume machen Wissenschaft erlebbar, schaffen mehr Verständnis für wissenschaftliche Arbeitsweisen und erhöhen zugleich die Perspektivenvielfalt in der Forschung. Davon braucht es mehr.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ob Biodiversität, der Zustand von Wäldern und Gewässern oder die Folgen von Hitze in den Städten: Wer schon einmal in einem Citizen-Science-Projekt mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zusammengearbeitet hat, kann Forschung besser nachvollziehen und Fakten besser von Fakes unterscheiden. Koproduktion von Wissen schafft Selbstwirksamkeit und wirkt als Vertrauensbooster.

Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger müssen verantwortungsvoll mit wissenschaftlichen Erkenntnissen umgehen – in der Politik ebenso wie in Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Es braucht gegenseitiges Verständnis, auch für die Rollenverteilung: Die Wissenschaft empfiehlt, und die Politik entscheidet.

Laut einer Studie, die 2022 im Magazin „Science“ erschienen ist, haben weltweit etwa 40 Prozent von fast 10 000 befragten Coronaforschenden Anfeindungen erfahren. Auch Klimaforschung und Sozialwissenschaften geraten ins Visier von Wissenschaftsleugnern und -feinden. Wir dürfen nicht zulassen, dass sich Forschende deshalb aus der Öffentlichkeit zurückziehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wir müssen Rückendeckung und Schutz für Wissenschaftler/-innen sicherstellen, die ihre Ergebnisse öffentlich teilen. Lassen Sie uns gemeinsam den Attacken auf die Wissenschaftsfreiheit entgegenstellen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Stephan Seiter [FDP])

Der Sportteil in den Tageszeitungen ist ein Evergreen, eine Wissenschaftsseite sollte es werden. Der Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft lebt eben auch durch guten, unabhängigen Wissenschaftsjournalismus, der aus der Forschungswelt berichtet. Seine Bedeutung ist wichtiger denn je, und er darf Umbrüchen in der Medienlandschaft nicht zum Opfer fallen. Wir setzen uns deswegen für eine Stiftung ein, die Wissenschaftsjournalismus aktiv fördert – unabhängig und staatsfern. Bewährte Stiftungsmodelle, von Friedensforschung bis zur Innovation in der Hochschullehre, zeigen: Das ist ein gangbarer Weg.

Das BMBF arbeitet mit der #FactoryWisskomm, mit den Wissenschaftsjahren und mit vielen weiteren lang etablierten Formaten an der Sichtbarkeit von Wissenschaft und der Weiterentwicklung von Wissenschaftskommunikation. Vielfältige Initiativen, viele Hochschulen und Forschungseinrichtungen befinden sich im Dialog mit der Gesellschaft und zeigen, wie es geht. Immer mehr Forschende kommunizieren ihre Ergebnisse immer besser. Das sollten wir weiter unterstützen.

Vertrauen in die Wissenschaft ist auch nach der Coronapandemie kein Selbstläufer. Weltweit versuchen autoritäre Kräfte, Vertrauen in Wissenschaft zu erschüttern und Unsicherheiten zu schüren. Wehren wir uns dagegen, indem wir Wissenschaftskommunikation und Wissenschaftsjournalismus weiter stärken – getreu dem Motto: Fakten first!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Die nächste Rednerin ist Dr. Lina Seitzl für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)