Reform des Völkerstrafrechts

Ahndung von Völkerrechtsverbrechen verbessern

Internationaler Strafgerichtshof in Den Haag
Die Modernisierung unseres Völkerstrafgesetzbuchs und Strafprozessrechts ist ein wichtiger Schritt für die Verfolgung und Ahndung von schweren Völkerrechtsverbrechen weltweit. Der Bundestag hat die Beratungen dazu aufgenommen. picture alliance / ZB | Sascha Steinach
30.11.2023
  • Der Bundestag hat die Beratungen zum Gesetzentwurf zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts aufgenommen.
  • Damit schwere Völkerrechtsverbrechen verfolgt und geahndet werden können, benötigen wir ein modernes Völkerstrafgesetzbuch, das den komplexen Herausforderungen von Völkerstrafverfahren gewachsen ist.
  • Wir Grüne im Bundestag setzen uns besonders für die Stärkung der Betroffenenrechte in Völkerstrafverfahren, die Einführung eines eigenen Tatbestandes des Verschwindenlassens ins Strafgesetzbuch (StGB) und die Schließung von nicht zeitgemäßen Strafbarkeitslücken ein.

Die letzten Jahre haben uns die enorme Bedeutung des Völkerstrafrechts vor Augen geführt – sowohl für die Betroffenen schwerster Völkerstraftaten als auch für die Weltgemeinschaft an sich. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und andere weltweite Kriege und Konflikte unterstreichen diese Bedeutung ebenso wie in Deutschland geführte Völkerstrafverfahren. Diese richteten sich zum Beispiel gegen Unterstützer des Assad-Regimes oder verhandelten den Völkermord an irakischen Jesid*innen und Völkerrechtsverbrechen im Kongo und in Gambia.

Bei der Durchsetzung des Völkerstrafrechts spielt das Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) eine entscheidende Rolle. Es erfasst die sogenannten Kernverbrechen des Völkerrechts – Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Verbrechen der Aggression. Damit diese schweren Menschenrechtsverbrechen auch strafrechtlich verfolgt und geahndet werden können, müssen wir das deutsche VStGB im Lichte der internationalen Rechtsentwicklung fortentwickeln.

Der neue Gesetzentwurf sieht insbesondere die Schließung zahlreicher Strafbarkeitslücken im Bereich der sexualisierten und reproduktiven Gewalt, der Verfolgung von queeren Menschen und beim Verbrechen des Verschwindenlassens vor. Er beinhaltet außerdem Verbesserungen für Betroffene im Recht der Nebenklage vor.

Sexualisierte Gewalt und Verfolgung queerer Menschen

Durch die Verbesserungen im Hinblick auf die Verfolgung von sexualisierter und reproduktiver Gewalt erfolgt eine Angleichung der Tatbestände Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen an das Römische Statut und die ständige Rechtsprechung des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag. Erfasst werden sexuelle Übergriffe, sexuelle Sklaverei, erzwungene Schwangerschaftsabbrüche oder Gefangenhalten von zwangsgeschwängerten Frauen.

Zudem wird erstmals das Merkmal "sexuelle Orientierung" als unzulässiger Grund für die Verfolgung einer Gruppe aufgenommen. Der Gesetzentwurf benennt damit ausdrücklich die systematische Verfolgung queerer Menschen als Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Zwangsweises Verschwindenlassen

Wir freuen uns besonders über die Streichung des Nachfrageerfordernisses beim Tatbestand des Verschwindenlassens im VStGB. Dies ist ein wichtiger Schritt für die Angehörigen von Verschwundenen, die bisher bei den mutmaßlichen Täter*innen nach dem Verbleib ihrer Verwandten fragen mussten. Wir haben uns intensiv für die Einführung eines eigenen Tatbestandes des Verschwindenlassens ins Strafgesetzbuch eingesetzt. Es ist wichtig, dass dieses grausame Verbrechen in seiner ganzen Dimension und seinem Unrechtsgehalt von einem eigenen Straftatbestand erfasst wird, wie es auch das Internationale Abkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen fordert.

Stärkung der Betroffenenrechte in Völkerstrafverfahren

Der Entwurf stärkt die Rechte von Betroffenen in Völkerstrafverfahren durch eine Erweiterung der Nebenklagebefugnisse und die Gewährung psychosozialer Prozessbegleitung. In den anstehenden Verhandlungen werden wir uns für weitere Verbesserungen der Rechte der Nebenkläger*innen einsetzen.

Breitenwirkung völkerstrafrechtlicher Urteile

Wir befürworten die mögliche Videoaufzeichnung wichtiger Völkerstrafverfahren zu wissenschaftlichen und historischen Zwecken sowie die Nutzung von Übersetzungen durch Dolmetscher bei Gerichtsverfahren für Medienvertreter*innen. In diesem Bereich wollen wir noch besseren sprachlichen Zugang und Teilhabe zivilgesellschaftlicher Akteur*innen an Völkerstrafverfahren erreichen.

Wir freuen uns auf das beginnende parlamentarische Verfahren, in dem wir uns aktiv für weitere Verbesserungen einsetzen werden!