Rede von Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Gesetzliche Rentenversicherung

Foto von Wolfgang Strengmann-Kuhn MdB
17.11.2023

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Linken spricht ja ganz grundsätzliche Fragen an; manches geht in die richtige Richtung, manches sehen wir aber auch anders. Ich will jetzt gar nicht in die Details gehen – das machen wir dann im Ausschuss –, sondern möchte die Zeit nutzen, um im ersten Teil unsere wichtigen Punkte in der Rentenpolitik zu benennen. Im zweiten Teil komme ich dann zu den aktuellen Fragen der Ampel.

(Kai Whittaker [CDU/CSU]: Ob dafür die Redezeit reicht? – Gegenruf der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Keine Sorge!)

Ich fange mal mit den Punkten der Grünen an. Worin wir uns sehr einig mit den Linken sind, ist, dass wir eine Stärkung der gesetzlichen Rentenversicherung brauchen; denn das ist die zentrale erste Säule, die stabil ist und auch stabil bleiben muss.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Für uns ist da besonders wichtig, dass es eine universelle gesetzliche Rentenversicherung mit gleichen Regeln für alle gibt, eine Bürgerversicherung. Das Prinzip Bürgerversicherung bedeutet, dass alle Bürger/-innen Beiträge auf alle Einkommensarten einzahlen.

(Norbert Kleinwächter [AfD]: Und die Bürger sind raus!)

Uns ist klar, dass das nur schrittweise geht: Ein Schritt könnte die Erwerbstätigenversicherung sein; da wären wir auch mit der SPD einig; aber die Bürgerversicherung ist unser Ziel. Dadurch schaffen wir horizontale Gerechtigkeit und eine nachhaltige Finanzierung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Martin Rosemann [SPD])

Der zweite wichtige Punkt ist der, dass alle, die lange in der Rentenversicherung versichert sind, eine Rente bekommen, die das Existenzminimum garantiert – ohne Bedürftigkeitsprüfung. Wir nennen das „Garantierente“, und wir wollen die bestehende Grundrente in Richtung Garantierente weiterentwickeln. Gerade die Kombination aus Bürgerversicherung und Garantierente ist damit für uns ein wichtiger Teil zur Vermeidung von Altersarmut. Die Garantierente, die Garantie des Existenzminimums innerhalb der Rentenversicherung, ist auch ein wichtiges Mittel, um die Akzeptanz der Rentenversicherung zu erhöhen.

Das alleine reicht aber nicht; denn die Rente soll ja nicht nur vor Armut schützen, sondern einen Lebensstandard sichern.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Genau!)

Eine Absenkung des Rentenniveaus ist deswegen nicht akzeptabel. Deswegen sind wir für die Stabilisierung des Rentenniveaus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Für die Stabilisierung des Lebensstandards ist aber selbst ein stabiles Rentenniveau noch relativ wenig und nicht ausreichend. Ursprünglich war mal die Riester-Rente als zusätzliche Vorsorge gedacht. Aber wenn wir ehrlich sind, müssen wir sagen: Riester ist gescheitert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Ja!)

Wir schlagen deswegen als Alternative – und da gehen wir einen anderen Weg als die Linken – eine kapitalgedeckte Zusatzvorsorge durch einen öffentlich organisierten Bürgerfonds vor. Vorbild dafür ist für uns die Alterssicherung in Schweden. Übrigens: Die machen das in der Kombination mit einer Garantierente und einer Erwerbstätigenversicherung. Das wäre für uns ein guter Weg.

Zentral ist aber für uns, dass diese kapitalgedeckte Alterssicherung zusätzlich zur gesetzlichen Rentenversicherung ist, also auf dieser stabilen Säule aufbaut, um insgesamt ein höheres Niveau des Lebensstandards im Alter zu erreichen. Bürgerversicherung, Garantierente, stabiles Rentenniveau und Bürgerfonds sind somit zentrale Punkte des grünen Rentenkonzepts.

Nun zu den Ampeldiskussionen. Da steht im Moment die Aktienrente im Mittelpunkt der Diskussion; das ist heute auch schon angesprochen worden.

(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Es gibt doch gar keine Aktienrente!)

Bekanntermaßen sehen wir Grüne diese eher kritisch. Obwohl immer mal wieder behauptet wird, dass auch bei der Aktienrente Schweden das Vorbild ist, ist das bei genauerem Hinsehen gar nicht der Fall. Das ist aber für uns nicht der entscheidende Punkt. Der entscheidende Punkt ist: Die Aktienrente ist eben nicht zusätzlich zur gesetzlichen Rentenversicherung, sondern sie ist Teil der gesetzlichen Rente. Trotz unserer Kritik haben wir aber im Koalitionsvertrag zugestimmt, dass es einen zusätzlichen Kapitalstock für die Rente geben soll, und zwar in einem ersten Schritt in Höhe von 10 Milliarden Euro.

(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Ganz schlecht!)

Wir sind vertragstreu und bereit, diesen Schritt mitzugehen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nun wird aber mittlerweile nicht mehr über 10 Milliarden Euro geredet, sondern über dreistellige Milliardenbeträge, und da sehen wir große Gefahren. Noch mal: Wir Grüne wollen eine kapitalgedeckte Alterssicherung zusätzlich zur ersten Säule. Die Aktienrente ist aber ein Teil davon. Wenn das aufwächst auf zig Milliarden Euro, auf Hunderte Milliarden Euro, dann wackelt diese stabile erste Säule. Das finden wir gefährlich, und das machen wir nicht mit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vereinbart ist ein erster Schritt, und den machen wir mit. Über weitere Schritte noch in dieser Legislaturperiode oder darüber, wie diese aussehen sollen, ist nichts vereinbart. Vereinbart ist auch die Stabilisierung des Rentenniveaus; das ist auch für das Rentenpaket II angedacht. Das finden wir gut, und das unterstützen wir.

Last, but not least wurde im Koalitionsvertrag vereinbart, dass neue Selbstständige, die nicht anderweitig obligatorisch abgesichert sind, in die gesetzliche Rentenversicherung kommen. Für uns ist das ein Schritt in Richtung Bürgerversicherung. Aber es ist vor allem gut für die Selbstständigen, die damit eine sichere Absicherung im Alter erhalten und darüber hinaus auch weitere Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung, wie die Absicherung bei Erwerbsminderung und, wenn es nach uns gut geht, perspektivisch eine Garantierente, die sie sicher vor Altersarmut schützt.

Wenn klar ist, dass diese drei Punkte – Selbstständige in die Rentenversicherung, stabiles Rentenniveau und auch der erste Schritt zur Aktienrente in Höhe von 10 Milliarden Euro –, wie im Koalitionsvertrag beschrieben, umgesetzt werden, kriegen wir in der Ampel auch zügig eine Einigung hin und leisten damit einen Beitrag für eine bessere Alterssicherung.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Stephan Stracke [CDU/CSU]: Da klatscht sogar die FDP! Der hat gerade die Aktienrente angemeiert, und jetzt klatschen die!)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Gerrit Huy ist die nächste Rednerin für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)