Es braucht weitere Aufklärung zum NSU
Zum elfjährigen Jahrestag der Selbstenttarnung des NSU erklären Dr. Irene Mihalic, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin, und Misbah Khan, Mitglied im Ausschuss für Inneres und Heimat:
Dr. Irene Mihalic:
Auch elf Jahre nach Selbstenttarnung des NSU-Trios ist die Aufklärung nicht annähernd abgeschlossen. Mittlerweile wird Rechtsterrorismus aber immerhin als das anerkannt was es ist: Die bei weitem größte Bedrohung für unsere Demokratie. Wir müssen entschlossen handeln und die Sicherheitsarchitektur so umbauen, dass Kenntnisse zu rechtsterroristischen Bestrebungen schneller und umfassender zusammengeführt werden. Es braucht nun zügig einen durch die Bundesinnenministerin angestoßenen breiten Reformprozess, um bei den erkannten Problemen schnell zu einer Lösung zu kommen.
Die NSU-Untersuchungsausschüsse im Bund und in den Ländern haben viele offene Fragen beantwortet. Zahllose weitere Leerstellen und Ungereimtheiten zum Netzwerk des NSU und zur Arbeit der Sicherheitsbehörden sind weiter offen. Rechter Terror findet nicht im luftleeren Raum statt, sondern ist eingebettet in rechtsextreme Netzwerke und Strukturen. Sicherheitsbehörden und politische Verantwortungsträger müssen auch selbst ihre Aufklärungsbereitschaft untermauern, wenn sie glaubwürdig gegen Rechtsterror vorgehen wollen. Der Streit um die geschwärzten Akten beim hessischen Untersuchungsausschuss zum Anschlag in Hanau zeigt sehr deutlich, dass es daran leider immer noch mangelt.
Der Jahrestag der Selbstenttarnung mahnt uns, diesem breiten Spektrum durch entschlossenes politisches Handeln zu begegnen. Denn diese Kräfte werden alles dafür tun, die Grundlagen unseres demokratischen Rechtsstaats zu zerstören. Ein Blick in andere Länder zeigt, dass Demokratie, Rechtsstaat und Humanität immer wieder verteidigt werden müssen.
Misbah Khan:
Auch elf Jahre nach seiner Selbstenttarnung ist die Aufarbeitung des NSU-Terrors eine offene Wunde. Bis heute gibt es in der Bundesrepublik keine zentralen Erinnerungsorte, die das jahrzehntelange Leid der Opfer und Hinterbliebenen angemessen würdigen. Nach allem, was uns heute über die Verstrickungen des Staates und seiner Sicherheitsbehörden im NSU-Komplex bekannt ist, ist diese Leerstelle in keiner Weise tragbar.
Der Staat muss sich endlich seinen Verfehlungen stellen; Akten mit NSU Bezug müssen überall erhalten und zugänglich werden. An der engen Einbindung der Zivilgesellschaft führt bei diesen Projekten kein Weg vorbei. Ihre Aufklärungs- und Unterstützungsleistungen müssen in einem NSU-Dokumentationszentrum und Archiv zu Rechtsterrorismus gewürdigt werden.
Wir erwarten, dass die Bundesregierung diese Projekte, die wir im Koalitionsvertrag verankert haben, nachhaltig umsetzt.