Pressemitteilung vom 10.03.2022

Industrienation auch elf Jahre nach Reaktorkatastrophe überfordert

Zum morgigen Jahrestag der Atomkatastrophe von Fukushima erklärt Stefan Wenzel, Sprecher für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz:

Elf Jahre nach der mehrfachen Kernschmelze in Fukushima ist die Situation vor Ort noch immer sehr kritisch. Für die Industrienation Japan ist das ein Offenbarungseid. Der Pazifik muss als Müllkippe herhalten für die Abwässer und über den Zustand der geschmolzenen Kerne wird weiterhin spekuliert. Zudem liegen noch immer die geschmolzenen Brennstäbe mit enormer Radioaktivität in den havarierten Reaktorgebäuden und können nicht geborgen werden. Dabei hatte Japan Glück im Unglück, weil  der große Teil des radioaktiven Fallouts nicht über Tokio abregnete, sondern Richtung Meer abzog.

Fukushima erinnert uns an potenziell verheerende Auswirkungen von Atomunfällen, dabei waren mehrfache Kernschmelzen in den Handbüchern der Atomindustrie noch nicht einmal theoretisch für möglich gehalten worden.

Die Sicherheit von Atomanlagen wird durch den russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und die dortigen AKW auf erschreckende Weise aktuell. Reaktoren werden zu Waffen des Gegners im eigenen Land. Unterhalb der Schwelle eines Atomkrieges wird dort – mitten in Europa – ein hybrider Krieg geführt, der mit den Ängsten der Menschen spielt. Fällt, wie damals in Fukushima, die Stromversorgung und Notkühlung aus, drohen bei laufenden Reaktoren eine Kernschmelze oder andere unbeherrschbare Situationen.

Die Katastrophe von Fukushima führte vor zehn Jahren in Deutschland zur Entscheidung, aus dieser Hochrisikotechnologie auszusteigen. Der Angriff auf Atomkraftwerke in der Ukraine muss nun eine Zeitenwende bei der Bewertung der Sicherheit und Sicherung von Atomanlagen in ganz Europa zur Folge haben. Bislang war die Abwesenheit von Krieg stets Prämisse. Davon können wir aber nicht länger ausgehen. Die Bundesregierung hat dies in ihrer aktuellen Prüfung bereits berücksichtigt. Das ist richtig und konsequent.

Letztlich wird die aktuelle Krise den Aufbau einer nachhaltigen und resilienten Stromversorgung deutlich beschleunigen, Abhängigkeiten von fossilen und nuklearen Rohstoffen beseitigen und eine friedliche Entwicklung befördern.