Macrons zweite Sorbonne-Rede: Europa muss jetzt handeln
Anlässlich der zweiten Europa-Rede des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron an der Pariser Sorbonne erklärt Chantal Kopf, Sprecherin für Europapolitik:
Emmanuel Macron hat in aller Deutlichkeit dargelegt, dass Europa an einem entscheidenden Wendepunkt steht. Es ist richtig, dass Macron einen wesentlichen Teil seiner Rede auf das Thema Sicherheit verwendet hat und einen rapiden Anpassungsprozess Europas an die neuen geopolitischen Realitäten fordert. Wichtig war vor allem Macrons Appell, die Ukraine weiterhin militärisch zu unterstützen und Europa als Gemeinschaft liberaler Demokratien stärker geographisch zu denken - auch unter Einbindung von Staaten, die momentan noch nicht der EU angehören.
Unabhängig vom Ausgang der Präsidentschaftswahl in den USA müssen wir in Europa imstande sein, unsere Sicherheit selbst zu organisieren. Nichtsdestotrotz gilt es dabei nicht zu vergessen, dass die USA noch immer der wichtigste Partner Europas sind und wir die geopolitischen Herausforderungen im Umgang mit Systemrivalen wie China und Russland immer am besten transatlantisch bewältigen, das gleiche gilt für die Bewältigung der Klimakrise. Macrons Aussage, Europa müsse zeigen, dass es kein Vasall der USA sei, ist überzogen.
Begrüßenswert ist seine explizite Erwähnung des Green Deal der EU als Erfolgsmodell und die Notwendigkeit, grüne Industrien in Europa zu stärken ebenso wie der leidenschaftliche Appell an den Schutz der Rechtsstaatlichkeit und für transnationale Wahllisten bei Europawahlen - ein Vorschlag des Europäischen Parlaments, den der Deutsche Bundestag bereits in einer Stellungnahme ausdrücklich unterstützt hat.
Verteidigung, Erweiterung, Wettbewerbsfähigkeit, Klimaindustrien - für all das müssen wir in Europa mehr öffentliche und private Investitionen mobilisieren. Ein ganzes Bündel an Instrumenten, darunter die zentral wichtige Stärkung der Kapitalmarktunion, hat Enrico Letta in seinem Bericht zum Binnenmarkt vorgeschlagen. Wichtig ist nun, darüber nicht nur im deutsch-französischen Kontext zu diskutieren, sondern etwa das wiederbelebte Format des Weimarer Dreiecks zu nutzen, damit Europa gemeinsam und geschlossen handelt.