Pressemitteilung vom 23.05.2022

Mehr Indo-Pazifik wagen

Zum morgigen Treffen der Regierungschefs von Japan, Australien, Indien und den USA im Rahmen des Quadrilateral Security Dialogue erklärt Jürgen Trittin, Sprecher für Außenpolitik:

Deutschland und die Europäische Union müssen ihre Politik gegenüber Asien und Ozeanien intensivieren. US-Präsident Bidens späte Antrittsreise in Ostasien wird von drei Krisen überschattet: Dem Krieg in der Ukraine, der Coronapandemie und der Klimakrise. Vor dem Hintergrund gestörter Lieferketten, explodierender Weizen- und Energiepreise wollen die USA ein Gegengewicht zu China im Indo-Pazifik schaffen. Europa hat hier die Notwendigkeit und die Chance einer eigenständigen Indo-Pazifik-Politik.

So gilt es, das Netz von Handelsverträgen von Japan über Australien bis Vietnam und Singapur mit Leben zu erfüllen. Die USA haben hier nach Trumps Beendigung von TPP viel nachzuholen, gerade auch mit Blick auf das RECEP-Abkommen dieser Länder mit China. Ob das von Biden angekündigte Indo-Pazifische Wirtschaftliche Rahmenwerk für Wohlstand (IPEF) mit seinen gemeinsamen Standards für stabile Lieferketten, saubere Energie und Infrastruktur in der ASEAN angenommen werden wird, ist offen. Doch das Signal Bidens ist klar: Die USA sind (wieder) involviert vor Ort und sie haben ein Interesse daran, es zu bleiben. Das sollte uns anspornen.

Nach Gesprächen in Südkorea und Japan kommt Präsident Biden mit den Regierungschefs von Indien, Australien und Japan zu Gesprächen im QUAD-Format zusammen. Hier muss die Frage thematisiert werden, wie Indien auch bei der Eindämmung der Ukrainekrise in den Kreis der Verbündeten geholt werden kann. Indien leidet zudem massiv unter einer Hitzewelle. Die jüngsten Vereinbarungen zwischen Deutschland und Indien über eine Klima- und Energiepartnerschaft sind Schritte in die richtige Richtung.

Australiens neuer Ministerpräsident Anthony Albanese hat seine Wahlen mit einem klaren Bekenntnis für den massiven Ausbau Erneuerbarer Energien und den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft gewonnen. Hier bieten sich für Europa, das sich schneller dekarbonisieren und aus seiner Abhängigkeit von Russland befreien möchte, gute Ansätze für eine Zusammenarbeit mit einer neuen australischen Außenpolitik und ihren zentralen drei Säulen: die Allianz mit den USA, die Beziehungen zu regionalen Partnern und die Unterstützung multilateraler Foren.

Bidens Reise mahnt: Deutschland und die EU müssen im Indo-Pazifik dringend präsenter werden. Wir setzen uns für eine freie und offene indo-pazifische Region ein, in der das internationale Völkerrecht und globale Normen geachtet werden. Die EU und Deutschland müssen mit ihren Handels-und Investitionsabkommen verbindliche und überprüfbare Standards setzen – im Klima-, Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsbereich.

Ein erster wichtiger Schritt muss ein belastbares europäisches Lieferkettengesetz sein. Denn Standards und Normen sind die wichtigste Währung im Wettbewerb um geostrategischen Einfluss im Indo-Pazifik. Ansonsten laufen wir Gefahr, inmitten der Bündnisse und Einflusssphären der USA und China nicht nur im Indo-Pazifik keinen Boden unter den Füßen zu bekommen.