Pressemitteilung vom 22.12.2022

Neue Koalition in Israel: Rechtsextremen Grenzen aufzeigen

Zum Abschluss der neuen Regierungskoalition in Israel erklärt Lamya Kaddor, stellvertretendes Mitglied im Auswärtigen Ausschuss:

Die neue israelische Regierungskoalition unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ist die rechteste Regierung in Israels Geschichte. Sie polarisiert und gefährdet universelle Werte nach innen und lässt außenpolitische Spannungen in der Region und mit westlichen Partnern wie den USA befürchten. Neben nationalistischen und religiösen Kräften sind auch rassistische und rechtsextreme Politiker vertreten. Besonders besorgniserregend ist die Besetzung sicherheitsrelevanter Ministerien mit den rechtsextremen Politikern Bezalel Smotrich (Partei des Religiösen Zionismus) und Itamar Ben-Gvir (Jüdische Stärke). Die Regierung von US-Präsident Biden hat bereits angedeutet, dass sie kein Business as usual mit einem derart besetzten Kabinett pflegen wird.

Die neue israelische Regierung könnte verschiedene Projekte auf den Weg bringen, die Besorgnis erregen: Eine Schwächung des Obersten Gerichtshofs durch Überstimmungsrechte des Parlaments, Sicherung der Immunität von Netanjahu, der wegen eines Korruptionsskandals im Visier der Justiz steht, Legalisierung bisher illegaler Outposts und Siedlungen, zusätzliche Privilegien für Ultraorthodoxe, Geschlechtertrennung bei öffentlich organisierten Veranstaltungen, Verringerung der Rechte oder gar Verfolgung von Menschenrechtsorganisationen und der LGBTQ-Community. Dies alles könnte Öl ins Feuer der täglichen Gewalt zwischen Siedler*innen bzw. der israelischen Armee und Palästinenser*innen gießen. 2022 war ohnehin bereits das gewalttätigste Jahr seit der sogenannten „Messer-Intifada“ 2015, einschließlich Terror-Anschlägen gegen israelische Zivilist*innen in Israel selbst.

Dass die rechte Parlamentsmehrheit noch vor dem Abschluss der Koalitionsvereinbarung Gesetze verändert hat, um zu ermöglichen, dass der Schas-Vorsitzende Deri trotz Vorstrafen ein Ministeramt bekleiden kann und dass der Zuschnitt der Ressorts auf die rechtsextremen Koalitionspartner von Netanjahu angepasst wurde, ist kein gutes Zeichen. Die rechtsextremen und nationalistischen Parteien unter der Leitung von Ben-Gvir und Smotrich werden dadurch maßgeblichen Einfluss auf die Westbank erhalten, den Zugang zu ihr, inklusive dem Siedlungsbau, der Grenzpolizei und weiteren Häuserzerstörungen.

Die neue Rechts-Regierung steht vor der Verantwortung gegenüber der gesamten israelischen Wählerschaft, eine weitere Eskalation der Gewalt zu verhindern. Israels Sicherheit muss auch für seine Partner und Freunde wie Deutschland oberste Priorität bleiben. Eine Eskalation nach innen und außen ist in niemandes Interesse. Dafür ist auch eine Politik des fortgesetzten Siedlungsausbaus, der Zwangsräumungen und Häuserzerstörungen kontraproduktiv. Ziel sollte weiterhin die Zwei-Staaten-Lösung auf Grundlage der Grenzen von 1967 sein, die nicht durch das Schaffen von Tatsachen unmöglich gemacht werden darf.