Zeit für Realismus: China als Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale Europas
Zum EU-China-Gipfel erklärt Jürgen Trittin, Sprecher für Außenpolitik:
Beim EU-Chinagipfel müssen Rat und Kommission klar machen, was es praktisch heißt, mit China als Partner, Wettbewerber und systemischen Rivalen Europas umzugehen. Dies gilt für fast alle Themenfelder - vom Klimaschutz über Handel bis zum Umgang mit den Kriegen der Welt.
Ohne China werden wir das 1,5-Grad-Ziel nicht einhalten können. Doch bei aller Kooperation etwa zum Ausbau der Erneuerbaren müssen die wettbewerbsverzerrenden Maßnahmen Chinas bei Wind und Fotovoltaik auf den Tisch kommen. Und China muss sich als einer der drei großen Emittenten von Treibhausgasen endlich seiner Verantwortung für den Fonds zur Behebung von Schäden und Verlusten stellen, der in Dubai unter anderem von Deutschland und den Emiraten auf den Weg gebracht wurde. Als eine der großen wirtschaftlichen Pole der Welt kann sich China nicht länger auf den Status eines Entwicklungslandes berufen - und tut dies ja auch in seiner globalen Politik schon lange nicht mehr.
Die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen der EU und China sind eng, aber immer stärker von einem Ungleichgewicht geprägt. 20 Prozent aller Importe in die EU kommen aus China, während neun Prozent der europäischen Exporte nach China gehen. Mit einem Außenhandelsdefizit von knapp 400 Milliarden Euro ist die Unwucht im Außenhandelsdefizit aber erheblich. Von der Leyen und Michel müssen klar machen, dass Europa auf mehr Ausgewogenheit und weiter auf einem "level playing field" besteht.
Auch unter dem erklärten Ziel von verringerten strategischen Abhängigkeiten müssen unfaire Wettbewerbspraktiken in China gegenüber europäischen Unternehmen und staatliche Subventionen für zentrale Industrien wie die Automobilindustrie durch China kritisch thematisiert werden. Gegenmaßnahmen, wie sie die Kommission im Fall von Elektrofahrzeugen diskutiert, sind notwendig, wenn es keine Bewegung auf chinesischer Seite geben sollte.
Auf der anderen Seite gibt es in der Kooperation zwischen China und der EU auch Chancen - etwa einen globalen Preis für Kohlenstoff auf den Weg zu bringen. Hierzu tragen die von beiden Seiten installierten Emissionshandelssysteme bei, die es China auch ermöglichen können, trotz Grenzkostenausgleich auf den Binnenmarkt zu kommen.
China tritt in den letzten Jahren selbstbewusst in der internationalen Politik auf. Der damit einhergehenden Verantwortung muss es dann auch gerecht werden. Wer sich für die Ukraine einsetzt, darf nicht beim Export von Dual-Use-Gütern durch chinesische Firmen nach Russland wegschauen. Wer den Krieg in Gaza beenden will, muss den Terror der Hamas ebenso klar benennen wie die Bereitschaft haben, sich für eine Zwei-Staaten-Lösung zu engagieren.
Chinas Anstrengungen zum Aufbau paralleler internationaler Institutionen zu den Vereinten Nationen muss Europa eine Absage erteilen. Es gilt, die Vereinten Nationen zu stärken, inklusive einer Reform des Sicherheitsrates. Institutionen wie Weltbank und IWF müssen mit Blick auf Klimakrise und globale Armut reformiert und für den globalen Süden geöffnet werden. China-dominierte Institutionen und Formate schaffen hier nur neue Abhängigkeiten.
Gerade in der Wachstumsschwäche Chinas liegt auch eine Chance. Peking kämpft mit lahmendem Wachstum und massiven demografischen Problemen. Es sollte seine Kraft nicht im Kampf gegen die etablierten Institutionen der Welt verschwenden, sondern sie aktiv mitgestalten.
Aber auch die Menschenrechtslage in China darf nicht unter den Tisch fallen. Die massiven Verletzungen von Menschen- und Freiheitsrechten in Hongkong, Tibet oder Xingjiang müssen ebenso offen angesprochen werden wie die Konflikte im Verhältnis zu Indien und den südchinesischen Nachbarn. Versuchen, den Status Quo von Taiwan gewaltsam zu verändern, ist eine klare Absage zu erteilen.