Statement vom 15.02.2022

Irene Mihalic und Misbah Khan zum „NSU 2.0“-Prozess

Zu dem am morgigen Mittwoch beginnenden Prozess gegen den mutmaßlichen Verfasser von Drohschreiben des sogenannten NSU 2.0 erklären Irene Mihalic, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin und Misbah Khan MdB:

Irene Mihalic:

„Die Drohbriefserie des sogenannten NSU 2.0 beschäftigen die Öffentlichkeit, aber vor allem die Betroffenen seit über drei Jahren. Im Prozess gegen den tatverdächtigen Verfasser bleiben zentrale Fragen offen, die sich mit der bestehenden Einzeltäterthese nicht erklären lassen. Es muss dringend aufgeklärt werden, ob Polizeibeamte durch Abfragen an Polizeicomputern direkt oder indirekt an den Drohbriefschreiben beteiligt waren. Das wirft auch erneut die Frage nach Netzwerken und rechten Strukturen in den Polizeibehörden auf. Mit der Einzeltäterthese wird diese Frage komplett ausgeblendet, obwohl uns die zahlreichen Meldungen aus Polizeibehörden der Länder und des Bundes mittlerweile gezeigt haben, dass diese Problematik ernst genommen werden muss. Bei den Ermittlungen zum NSU 2.0 darf die Frage nach Unterstützerinnen und Unterstützern nicht ausgeklammert werden.

Keinesfalls sollten Ermittlungsfehler und vorschnelle Fokussierungen auf Einzeltäter, die wir bereits vom NSU und anderen Ermittlungen im Bereich Rechtsextremismus kennen, wiederholt werden. Insbesondere für die betroffenen Personen, aber auch für das grundsätzliche Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Polizei wäre das fatal.“

Misbah Khan:

„Rechte Gewalt beginnt schon mit der Drohung: Die im Falle des so genannten NSU 2.0 angegriffenen Personen sollten eingeschüchtert und in ihrem demokratischen Engagement zurückgedrängt werden. Wir sind es ihnen und unserem Rechtsstaat schuldig, dass die Ermittlungsbehörden die Hintergründe lückenlos aufklären.

Der NSU 2.0 ist kein Einzelfall - immer wieder erleben wir, dass engagierte Demokrat*innen Opfer von Gewalt, Hass und Hetze werden. Die Bedrohungen durch sogenannte Feindes- und Todeslisten spielen hier eine wesentliche Rolle und müssen absolut ernst genommen werden. Durch die im Koalitionsvertrag vereinbarte erweiterte Informationspflicht der Strafverfolgungsbehörden gegenüber Betroffenen und die vereinfachte Möglichkeit von Auskunftssperren im Melderegister für Bedrohte schaffen wir mehr Sicherheit.

Es bleibt eine wichtige Aufgabe des Staates, das verloren gegangene Vertrauen wiederherzustellen, damit sich alle Menschen in unserem Land gefahrlos in der Öffentlichkeit engagieren können.“

 

Foto von Dr. Irene Mihalic MdB
Dr. Irene Mihalic
Erste Parlamentarische Geschäftsführerin Leiterin der AG Wahlprüfung, Immunität u. Geschäftsordnung (Sprecherin)