Vorratsdatenspeicherung

Quick Freeze statt anlassloser Massenüberwachung

Computerplatine mit Aufschrift Vorratsdaten
Das Urteil ist klar: Die deutsche gesetzliche Regelung, die aufgrund von Gerichtsentscheidungen ohnehin bereits ausgesetzt war, ist mit den Grundrechten unvereinbar. picture alliance / Bildagentur-online/Ohde
29.09.2022
  • Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die von der damaligen Regierungskoalition 2015 beschlossene Regelung zur anlasslosen Vorratsdatenspeicherung für grundrechtswidrig erklärt.
  • Wir wollen eine effektive rechtsstaatliche Bekämpfung von Kriminalität, insbesondere auch von sexuellem Missbrauch und der Darstellung sexuellen Missbrauchs. Ebenso wollen wir effektive rechtsstaatliche Abwehr terroristischer und anderer Bedrohungen der inneren Sicherheit. Dafür braucht es aber zielgerichtete Maßnahmen. Anlasslose Massenüberwachung, die alle Bürgerinnen und Bürger unter Generealverdacht stellt, hilft hier nicht.
  • Wir wollen den gemeinsam mit SPD und FDP vereinbarten Koalitionsvertrag umsetzen und die Bevölkerung zukünftig nicht mehr anlasslos überwachen, sondern stattdessen Gefahren zielgerichtet mit einem sog. „Quick-Freeze“-Verfahren abwehren.

Die kürzlich getroffene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur deutschen gesetzlichen Regelung für eine Vorratsdatenspeicherung wurde mit Spannung erwartet. Das Urteil fiel klar aus: Die deutsche gesetzliche Regelung, die aufgrund von Gerichtsentscheidungen ohnehin bereits ausgesetzt war, ist mit den Grundrechten unvereinbar.

Kein Generalverdacht mehr

Die anlasslose Massenüberwachung ist ein bürgerrechtlich und sicherheitspolitisch gefährlicher Irrweg. Sie stellt alle Bürgerinnen und Bürger unter Generalverdacht. Sie gefährdet Grundrechte und konnte die in sie gesetzten sicherheitspolitischen Erwartungen nie erfüllen. Die Rechtsunsicherheit beim Einsatz für die Bediensteten in den Sicherheitsbehörden ist seit vielen Jahren massiv. Die Vorratsdatenspeicherung bindet unnötig knappe Ressourcen und wehrt konkrete Gefahren eben nicht zielgerichtet ab.

Sexuellen Missbrauch konsequent bekämpfen

Dabei ist längst klar, was tatsächlich dringend notwendig wäre, um die Ermittlerinnen und Ermittler bei ihrer schwierigen und belastenden Arbeit zu unterstützen, gerade auch bei der Bekämpfung von so schrecklichen Taten wie sexuellem Missbrauch und der Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen. Hierzu haben wir als Grüne Bundestagsfraktion immer wieder sehr konkrete Vorschläge gemacht. Sie reichen von der besseren personellen Ausstattung der Behörden über mehr psychologische Betreuung, bessere Bilderkennungssoftware und Datenbanken, über eine verstärkte, länderübergreifende Kooperation und bessere Ausstattung der Justiz. All das ist auch in den Ampel-Koalitionsvertrag aufgenommen.

Zudem hat sich die Ampel mit Blick auf das erwartbare EuGH-Urteil in ihrem Koalitionsvertrag auf die zielgerichtete Abwehr konkreter Gefahren mit Hilfe des sogenannten „Quick-Freeze“-Verfahrens verständigt. Durch dieses Verfahren werden zukünftig die bei den Telekommunikationsanbietern gespeicherten Daten bei Vorliegen eines konkreten Tatverdachts auf richterlichen Beschluss umgehend „eingefroren“ und damit gespeichert, um Täter*innen zu identifizieren und sie der Strafverfolgung zuführen zu können. Das Verfahren trägt auch dazu bei, Gefahren gegen die innere Sicherheit zielgerichtet abwehren zu können.

Gesetzentwurf für "Quick Freeze"

Für eine – wie auch immer geartete – Neuauflage der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung gibt es dagegen weder rechtlichen noch politischen Spielraum. Die Ampel hat der anlasslosen Überwachung der Bevölkerung eine klare Absage erteilt. Wir begrüßen, dass der Bundesjustizminister, dem Koalitionsvertrag und den zwischen den Ministerien intensiv abgestimmten Vorhabenplanungen folgend, bereits gemeinsam mit dem Innenministerium an einem Gesetzentwurf für eine „Quick-Freeze“-Regelung arbeitet und angekündigt hat, diesen in Kürze vorzulegen.

Die jüngste EuGH-Entscheidung ist eine erneute klare Ansage an die Befürworter*innen der Vorratsdatenspeicherung, denen es bis heute nicht gelungen ist, eine verfassungskonforme Regelung vorzulegen. Der Richter*innenspruch liegt auf Linie der bisherigen Rechtsprechung des Gerichts. Nach dem Bundesverfassungsgericht musste auch der EuGH erneut darauf hinweisen, dass von den vergangenen Bundesregierungen auf den Weg gebrachte gesetzliche Regelungen mit den Grundrechten nicht vereinbar waren und sind.

Ehrliche Bilanz ziehen

Mit „Quick Freeze“ und mit Hilfe zahlreicher weiterer Vorhaben werden wir die Strafverfolgung weiter effektiveren und gleichzeitig die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger schützen. Statt in längst überholte Muster zu verfallen und über immer neue Eingriffsbefugnisse draufzusatteln, wollen wir eine ehrliche Bilanz der Sicherheitspolitik der vergangenen Jahre ziehen, eine überfällige „Überwachungsgesamtrechnung“ auf den Weg bringen und insgesamt eine zielgerichtete und bürgerrechtsorientierte Sicherheitspolitik verfolgen. Das schafft ein tatsächliches Mehr an Sicherheit und stärkt das Vertrauen in unseren Rechtsstaat.