Tierarzneimittelgesetz

Weniger Antibiotika in der Tierhaltung

Kälber
Mit der Änderung des Tierarzneimittelgesetzes schaffen wir einige wichtige Verbesserungen, die den Einsatz von (Reserve-)Antibiotika reduzieren werden. picture alliance / dpa
02.12.2022
  • Die Ampelkoalition hat wichtige Änderungen im Tierarzneimittelgesetz vorgenommen, um - wie im Koalitionsvertrag vereinbart - den Antibiotikaeinsatz in landwirtschaftlichen Betrieben zu erfassen und zu senken.
  • Als Grüne ist uns sehr wichtig, dass weniger Reserveantibiotika in der Nutztierhaltung eingesetzt werden, weil sie Menschenleben retten können. Kritische Reserveantibiotika werden nun stärker auf die Anwendung beim Menschen konzentriert.
  • Die Regelungen des Tierarzneimittelgesetzes zur Reduzierung von Antibiotika gelten künftig nicht nur für Masttiere, sondern auch für Nutzungsarten, bei denen Antibiotika in quantitativ großem Umfang eingesetzt werden. Dazu zählen Milchrinder, Zuchtschweine, nicht abgesetzte Saugferkel sowie Legehennen in der Aufzucht- und Legephase.

Der zu hohe Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung ist mitverantwortlich dafür, dass sich Antibiotikaresistenzen bilden und ausbreiten. Diese zählen zu den größten Gesundheitsproblemen weltweit und werden vom Robert-Koch-Institut als „schleichende Pandemie“ bezeichnet. Wenn Antibiotika ihre Wirkung verlieren, ist prinzipiell jede Bürger*in in Deutschland gefährdet. Kinder, ältere Menschen, Krebspatienten und Diabetiker sind einem besonders hohen Risiko ausgesetzt, die vorbeugende Antibiotikabehandlung vor Operationen, die bei größeren Eingriffen essentiell ist, betrifft uns hingegen alle. Bakterielle Infektionen mit resistenten Erregern können nur schwer bekämpft werden und im schlimmsten Fall zum Tode führen. Rund 1,3 Millionen Todesfälle pro Jahr sind weltweit direkt auf antimikrobielle Resistenzen zurückzuführen. Deshalb ist es wichtig, nicht nur in der Humanmedizin sondern auch in der Tierhaltung weniger Antibiotika einzusetzen.

EU-Vorgabe umgesetzt

Der Bundestag hat eine Änderung des Tierarzneimittelgesetzes beschlossen. Deutschland setzt damit die Vorgaben der EU um und aktualisiert das nationale Antibiotikaminimierungskonzept für die Nutztierhaltung. Als Ziel ist jetzt neu im Gesetz eine Halbierung der Antibiotikamenge bis 2030 verankert, so wie sie auch in der europäischen Strategie "Vom Hof auf den Tisch" formuliert ist. Entscheidend ist hierbei nicht nur die Frage, ob man Medikamente, die für die Humanmedizin dringend gebraucht werden, den Tieren verabreicht oder ob es Alternativen gibt, sondern was eigentlich die Ursache für den hohen Antibiotikaeinsatz in unseren Tierställen ist. Dieser steht nämlich in direktem Zusammenhang mit einer oftmals nicht artgerechten Tierhaltung, weshalb wir zugleich den Umbau der Tierhaltung und den Tierschutz vorantreiben.

Was ist neu im Gesetz geregelt?

Als Grüne ist uns sehr wichtig, dass weniger Reserveantibiotika in der Nutztierhaltung eingesetzt werden. Reserveantibiotika werden beim Menschen nur verwendet, wenn gängige Antibiotika nicht mehr wirken. Sie retten also Menschenleben. Konkret geht es in der Nutztierhaltung um kritische Antibiotika wie Fluorchinolone, Cephalosporine der 3. und 4. Generation und Colistin. Diese werden künftig mit einem Faktor drei gewichtet. Damit wird den Tierärzt*innen und Tierhalter*innen signalisiert, die Anwendung dieser wichtigen Antibiotika vor allem im Rahmen der Gruppenbehandlung auf das therapeutisch nicht vermeidbare Minimum zu beschränken.

Der Wirkstoff Colistin wird beim Menschen nur verwendet, wenn nichts anderes mehr hilft. In der Geflügelhaltung gehört sein Einsatz allerdings noch zum Standardprogramm. Aktuell wird beispielsweise eine ganze Hühnerherde von mitunter 30.000 Tieren behandelt, also überwiegend gesunde Hühner, wenn nur wenige Tiere Krankheitssymptome aufweisen. Im Tierarzneimittelgesetz ist jetzt festgelegt, dass es auch für Colistin – wie bereits für Fluorchinolone und Cephalosporine der 3. und 4. Generation - eine Antibiogrammpflicht geben soll. Ein Antibiogramm ist das Ergebnis einer Antibiotika-Resistenzbestimmung. Es informiert darüber, gegenüber welchen Antibiotika ein bestimmter bakterieller Krankheitserreger resistent bzw. sensibel ist. Diese Nachweispflicht hatte auch der Bundesrat gefordert. Dafür muss die Verordnung über Tierärztliche Hausapotheken geändert werden. Der Tierarzt ist in Zukunft nun verpflichtet, vor der Anwendung von Colistin die Empfindlichkeit bzw. Resistenz von mikrobiellen Krankheitserregern zu bestimmen. Ebenso ist ein Verbot der Umwidmung für Tierarzneimittel mit Colistin im Gesetz vorgesehen. Dieses ermöglicht einen verantwortlichen Umgang mit dem Reserveantibiotikum, weil es nur noch bei Erkrankungen eingesetzt werden darf, für die es zugelassen ist.

Zudem soll auch der Vollzug verbessert werden. Anstelle des bisherigen Entschließungsermessens besteht zukünftig ein Auswahlermessen, d.h. die zuständige Behörde muss Anordnungen treffen, wenn die landwirtschaftlichen Betriebe die Kennzahl 2 überschreiten. Die Kennzahl 2 erfasst die Betriebe, die mehr Antibiotika einsetzen als 75 Prozent aller Betriebe. Eine wichtige Neuerung ist, dass die zuständige Behörde anordnen kann, dass der Maßnahmenplan, der grundsätzlich oberhalb der bundesweiten jährlichen Kennzahl 2 erstellt werden muss, unter Hinzuziehung eines anderen als des behandelnden Tierarztes zu ändern oder zu ergänzen ist. Neu ist ebenso, dass das Minimierungskonzept nicht mehr nur für Masttiere gilt, sondern zahlreiche weitere Nutzungsarten umfasst.

Mit der Änderung des Tierarzneimittelgesetzes schaffen wir also einige wichtige Verbesserungen, die den Einsatz von (Reserve-)Antibiotika reduzieren werden.