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Abschlussbericht der Enquete-Kommission Afghanistan

  • Im Sommer 2022 hat der Deutsche Bundestag (nicht zuletzt auf Drängen der Grünen Bundestagsfraktion) eine Enquete-Kommission eingesetzt, die „Lehren aus Afghanistan für das künftige vernetzte Engagement Deutschlands“ ziehen sollte.
  • In ihrem Zwischenbericht (Drucksache) hat die Enquete-Kommission eine umfassende Analyse des fast 20-jährigen Afghanistan-Einsatzes präsentiert. Dort wurden auch Fehler und deren Ursachen identifiziert und erste Lehren gezogen wurden.
  • Am 27. Januar 2025 legte die Kommission ihren Abschlussbericht (Drucksache) mit 72 Empfehlungen vor. Dazu gehören Vorschläge für eine bessere strategische Vorbereitung, eine effizientere Koordinierung und für eine stärkere parlamentarische Kontrolle.

Im interdisziplinären Arbeitsansatz haben wir mit diplomatischer, politischer, militärischer und zivilgesellschaftlicher – und besonders auch afghanischer – Perspektive die 20 Jahre des Afghanistaneinsatzes selbstkritisch und ehrlich untersucht. Damit wurde das erste Mal ein Auslandseinsatz der Bundeswehr von parlamentarischer Seite vollständig ausgewertet. Die weitreichenden Empfehlungen bieten eine Chance, deutsches integriertes außenpolitisches Handeln zu verbessern. 

Bundestag und Bundesregierung bekennen sich zu ihrer Verantwortung

Der 20-jährige internationale Einsatz in Afghanistan ist vor Ort und auf politisch-strategischer Ebene gescheitert. Künftig braucht Deutschland für Einsätze des internationalen Krisenmanagements eine klare ausformulierte Strategie mit konkreten Zielen, verstärkter Kontroll- und Koordinierungsmechanismen sowie eine abgestimmte Exitstrategie mit seinen internationalen Partnern. So lassen sich nicht nur chaotische Abzüge verhindern, sondern vermeiden auch, dass Deutschland wieder ohne klares Ziel und ohne klare politische Führung an Auslandseinsätzen teilnimmt. 

Der Einsatz in Afghanistan wurde von Bundesregierung und Bundestag nicht angemessen begleitet. Kontrollmöglichkeiten wurden zu selten oder gar nicht genutzt. Auf Regierungsseite gab es im Einsatzzeitraum wenig bis keine Koordinierung zwischen den beteiligten, deutschen Akteur*innen. Daher schlägt die Enquetekommission vor, die Staatssekretärsrunde zu intensivieren und besser zu vernetzen, um die ressortübergreifende Planung und Beratung sicherheitspolitischer Themen effektiver und regelmäßiger zu gestalten. 

Für uns als Grüne Bundestagsfraktion war es entscheidend, die Stärkung der Exekutive mit einer gleichzeitigen Stärkung des Parlaments auszubalancieren. Bislang werden Auslandseinsätze im Bundestag in mehreren Ausschüssen eher nebenbei begleitet. Daher setzen wir uns für die Einrichtung eines Einsatzausschusses als Vollausschuss ein, um die parlamentarische Kontrolle zu verbessern. Er soll durch eine ressortübergreifende und vertiefte Begleitung von Kriseneinsätzen die strukturelle Überforderung des Bundestages reduzieren und als zentraler Ort der politischen Verantwortung dienen.

Ein neues vernetztes Lagezentrum verbessert die Krisenfrüherkennung und die strategische Vorausschau

Eine wichtige Lehre des Afghanistaneinsatzes war, dass Lagebilder nicht zusammengeführt wurden. Kritische Entwicklungen wurden deshalb lange übersehen. Ein neues vernetztes Lagezentrum soll die Erstellung und Verbreitung ressortübergreifender Lagebilder ermöglichen, um sowohl tagesaktuelle Analysen und Bewertungen als auch eine langfristige strategische Vorausschau zu ermöglichen. 

Lageangemessene, einsatzrelevante Fähigkeiten der Bundeswehr

Eine zentrale Lehre aus Afghanistan ist die unzureichende Anpassung von militärischen und zivilen Fähigkeiten an sich verändernde Bedrohungslagen. Zukünftig müssen einsatzrelevante Fähigkeiten gezielt identifiziert und auftragsgerecht bereitgestellt werden. 

Dafür sind klare Teilziele, Meilensteine und ein realistischer Einsatzfahrplan der verfügbaren Ressourcen erforderlich. Zudem muss die militärische Beratungsfunktion gegenüber der Politik gestärkt werden, damit beide ihrer Verantwortung gerecht werden. 

Transparenter und verantwortungsvoller Umgang mit Ortskräften und lokalen Mitarbeiter*innen

Lokale Mitarbeiter*innen und Ortskräfte waren und sind ein elementarer Bestandteil deutscher Auslandseinsätze. So wie sich unsere Soldat*innen und zivilen Kräfte auf die lokalen Kolleg*innen verlassen konnten, müssen sie sich auch auf uns verlassen können. Während unseres Einsatzes in Afghanistan hätte früher und klarer festgelegt werden müssen, wie man lokale Mitarbeiter*innen und Ortskräfte bei Gefahr in Sicherheit bringt d.h. wer anspruchsberechtigt ist, welche Rechtsgrundlagen anzuwenden und welche Nachweise erforderlich sind. 

Noch immer warten Tausende gefährdete Afghanen und Afghaninnen auf eine humanitäre Aufnahme in Deutschland, obwohl ihre Fälle bereits aufbereitet sind. Wir Grüne fordern auch über diese Legislaturperiode hinaus humanitäre Aufnahmen Darüber hinaus muss das Ortskräfteverfahren reformiert werden, um den Betroffenen schneller, unkomplizierter und transparenter zu helfen. Eine unzureichende Fürsorgepflicht schadet nicht nur dem außenpolitischen Ansehen Deutschlands, sondern gefährdet auch den Erfolg künftiger Einsätze.

Balance von Landes- und Bündnisverteidigung und Einsätzen des Internationalen Krisenmanagements 

Internationales Krisenmanagement (IKM) und Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV) müssen Hand in Hand gehen und dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Erfahrungen aus den Stabilisierungseinsätzen wie Afghanistan oder Mali müssen auch in die neue Auftragslandschaft übertragen werden, denn IKM und LV/BV werden zukünftig eng miteinander verwoben und gleichzeitig wahrzunehmen sein. Die Lehren aus Afghanistan können und müssen uns dabei helfen, auch für das deutsche Engagement in anderen internationalen und komplexen Friedensmissionen die richtigen Schlüsse zu ziehen. 

Wir danken allen, die zur umfassenden Aufarbeitung beigetragen haben – Sachverständigen, Bundeswehr, Polizei, Zivilorganisationen, Ministerien sowie den Afghan*innen vor Ort – für ihr Engagement und ihre harte Arbeit. Dem nächsten Bundestag und der nächsten Bundesregierung obliegt es, die Empfehlungen konsequent umzusetzen.

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