Pressemitteilung vom 21.08.2022

30 Jahre nach den rassistischen Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen

Zum 30. Jahrestag der rechtsextremen und rassistischen Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen erklären die Fraktionsvorsitzenden Katharina Dröge und Britta Haßelmann:

Mit Entsetzen erinnern wir uns an die massiven rassistischen Angriffe in Rostock-Lichtenhagen vor 30 Jahren. Nicht nur das blinde Wüten der Neonazis und Randalierer macht bis heute fassungslos, sondern auch, dass diese Angriffe und Ausschreitungen von tausenden Schaulustigen bejubelt wurden und es dem Staat tagelang nicht gelang, sie zu beenden. Unsere Gedanken sind bei den Betroffenen, denen die gewalttätigen Attacken galten und die nur mit Glück überlebt haben.

Der Angriff in Rostock-Lichtenhagen und die Serie rechtsextremer und rassistischer Gewalttaten seit der Wiedervereinigung – von Mölln über Solingen bis Hoyerswerda, Halle und Hanau, die furchtbaren Morde des NSU – haben deutliche Spuren in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland hinterlassen. Doch es wäre falsch, die Ereignisse nur in der Rückschau zu betrachten. Denn auch heute schüren rechtsextreme Kräfte ein Klima der Verrohung und Abwertung von Menschen. Rechtsmotivierte Gewalttaten nehmen eklatant zu, darunter die Zahl von Angriffen auf politisch engagierte Menschen und Hass, Hetze und Gewaltandrohungen im Netz. Das gefährdet Menschen und unsere Demokratie. Diesem Klima müssen wir geschlossen entgegentreten, um Gewalttaten und Eskalationen zu verhindern und letztlich unser demokratisches und vielfältiges Miteinander, unsere Demokratie und Freiheit zu erhalten.

Vor allem dem Einsatz der Opfer dieser Taten ist es zu verdanken, dass die Geschichte rassistischer Gewalt in den neunziger Jahren in Deutschland jetzt endlich entschlossen aufgearbeitet wird. Dies ist auch angesichts von unaufgeklärten Netzwerken und jahrzehntelangen Kontinuitäten in rechtsextremen und rechtsterroristischen Strukturen wichtiger denn je. Auch müssen wir das Vertrauen in Sicherheitsbehörden stärken, indem wir rechtsextreme Umtriebe und Gewalt dort besonders genau in den Blick nehmen und sofort unterbinden.

Die Ampelkoalition hat den Kampf gegen Rassismus, Rechtsextremismus, Hass und Hetze zu einer Priorität gemacht. Auch den Umgang mit Opfern von Terror wollen wir insgesamt würdiger gestalten, Lücken im Opferentschädigungsrecht und bei der Opferhilfe schließen. Öffentlich wahrnehmbare Erinnerungsorte sind dabei ein wichtiger Baustein. Wir werden ein Dokumentationszentrum für die Opfer des NSU schaffen und die Anschlagsorte stärker miteinander vernetzen. Die zahlreichen konkreten Projekte des Koalitionsvertrags müssen angesichts einer weiterhin extrem angespannten Sicherheitslage nun sehr zeitnah umgesetzt werden.

Der Angriff in Rostock-Lichtenhagen ist und bleibt eine ständige Mahnung an uns alle, für ein offenes und vielfältiges Deutschland einzustehen.

 

Hintergrund:
Vor 30 Jahren eskalierte in Rostock-Lichtenhagen die Gewalt gegen Asylsuchende und ehemalige vietnamesische Vertragsarbeiter*innen. Zwischen dem 22. und 26. August 1992 griffen rechte Gewalttäter*innen das „Sonnenblumenhaus“ in Rostock-Lichtenhagen und die dort untergebrachte Aufnahmestelle für Asylsuchende an – bis das Gebäude in Flammen stand. Darin wohnten vor allem geflüchtete Menschen aus Osteuropa. Anschließend wurde ein angrenzendes Wohnheim angegriffen, in dem über hundert Vietnamesinnen und Vietnamesen lebten, die sich nur knapp vor der Gewalt in Sicherheit bringen konnten. Ein Mob aus Tausenden Menschen, darunter viele Rechtsextreme, feuerten die Gewalttäter*innen an und klatschten Beifall. Die Polizei zog sich zeitweise zurück, die Politik kapitulierte.