Pressemitteilung vom 07.05.2023

8. Mai:Ein ritualisiertes "Nie wieder" reicht nicht

Zum 8. Mai erklären Marlene Schönberger, Mitglied im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung und Erhard Grundl, Sprecher für Kulturpolitik:

Der 8. Mai ist der Tag des Sieges der Alliierten über Nazideutschland. Dieser Sieg rettete unzähligen Menschen, die etwa aus den Vernichtungslagern befreit wurden, das Leben. Dafür sind wir den Alliierten zutiefst dankbar. Dieser Tag markiert das Ende der nationalsozialistischen Terrorherrschaft und der gezielten Ermordung, Verfolgung und Entrechtung von Millionen Menschen. Doch die unfassbaren Schrecken und Traumata der Shoa sind nicht beendet. Sie wirken bis heute nach. Uns muss klar sein, dass es in der deutschen Gesellschaft noch immer Antisemitismus und rechte Ideologien gibt. Deshalb tragen wir als Deutsche die Verantwortung, uns weiter mit der deutschen Schuld auseinanderzusetzen. Einen Schlussstrich unter diesen Prozess darf und wird es nicht geben. Im Gegenteil, zu viele Aspekte der Täterschaft liegen nach wie vor im Dunkeln.

Mehrere Studien offenbaren Lücken und Probleme in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit den nationalsozialistischen Verbrechen. So kommt die aktuelle MEMO-Studie zu dem Schluss, dass weiterhin geschichtsverfälschende Wahrnehmung in familiärer Tradition stattfindet. Etwa die Hälfte der Jugendlichen weiß so gut wie nichts über die Vergangenheit der eigenen Familie zur Zeit des Nationalsozialismus. Die Annahme, dass die eigenen Vorfahren im Widerstand gewesen wären, ist verbreitet. In Wahrheit trifft das sehr selten zu.  Auch Angriffe auf Gedenkorte nehmen zu: Allein in den vergangenen fünf Jahren wurden rund 100 Übergriffe auf Gedenkorte in Berlin und Brandenburg für die Opfer des Nationalsozialismus dokumentiert. Sie werden mit Parolen beschmiert, mit Farbe verunstaltet und mutwillig zerstört.   

Ein ritualisiertes „Nie wieder“ reicht deshalb nicht. Der heutige Tag erinnert uns an unsere Verantwortung, uns gegen jeden Antisemitismus, Rassismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit einzusetzen. Auch die Beschäftigung mit der eigenen Familiengeschichte gehört dazu.