Hoffnung auf neuen Schwung in Bosnien und Herzegowina
Anlässlich der Wahlen in Bosnien und Herzegowina erklärt Boris Mijatovic, Mitglied im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union:
Der demokratische Wechsel in Bosnien und Herzegowina ist erfolgt. Das erste Mal wird eine Frau in das Staatspräsidium von Bosnien und Herzegowina einziehen und an der Spitze des Staates stehen. Auch die Wahlen in den Entitäten brachten Überraschungen. In der Föderation setzt sich Denis Becerovic sich gegen Bakir Izetbegovic durch, in der Republika Srpska ist das Rennen zwischen Jelena Trivic und Milorad Dodik aktuell noch offen. Allein diese Ereignisse machen die Wahl 2022 historisch.
Vor dieser historischen Wahlnacht und besonders in Zukunft gab und gibt es jedoch zahlreiche Herausforderungen zu meistern. Ethno-nationalistische Politik und Rhetorik müssen weiterhin dringend überwunden werden. Die Analyse der Medienlandschaft zeigt, dass die Demokratie in Bosnien und Herzegowina noch Aufgaben vor sich hat. Desinformation, aggressive Sprache bis hin zur Hassrede gefährden die freie Meinungsäußerung und sind inakzeptabel. Ein weiteres Beispiel ist die Abwesenheit von Spitzenkandidaten im direkten Wahlkampf, die sich TV-Duellen schlicht verweigert haben. Zu den Aufgaben der neuen Entscheidungsträger*innen gehört nun, die politische Kultur zu schützen und mit konstruktiven Debatten zu entwickeln.
Wir gratulieren allen demokratischen Kräften zum Wahlerfolg und den ehrenamtlichen Wahlhelfer*innen für Ihren Einsatz in den etwa 1.600 Wahllokalen. Besonderer Dank gilt der staatlichen Wahlkommission, die diese Wahlen gegen Widerstände im Vorfeld ermöglicht hat. Im Einsatz für die Wahlbeobachtung fiel besonders auf, wie viele junge und engagierte Menschen die Demokratie annehmen und mit Leben füllen. Obwohl die Wahlvorbereitung lange durch ethno-nationalistische Interessen blockiert wurde, brachten sich vielerorts Menschen von morgens 6 Uhr bis zum Auszählen nachts um 2 Uhr für die Demokratie ein. Der zum größten Teil friedliche Verlauf der Wahlen in Bosnien und Herzegowina wurde auch von der EUFOR-Mission sichergestellt. Hier geht unser Dank an die beteiligten Deutschen, die in der Operation Althea für den Frieden arbeiten.
Wir wünschen den Wahlsieger*innen viel Erfolg bei den Aufgaben, die sie jetzt in der politischen Verantwortung für ihr Land übernehmen. Anstatt auf Ethnonationalismus und Abspaltung zu setzen, muss dringend ein Reformkurs eingeschlagen und das Leben der Menschen vor Ort verbessert werden. Luftverschmutzung zum Beispiel in Städten mit Kohlekraftwerken muss dringend auf die politische Agenda. Ebenso eine Stärkung der Justiz für eine erfolgreiche Bekämpfung der Korruption.
Für diese Aufgaben hat die EU ebenso ihre Unterstützung zugesagt, wie auch den Weg des Landes in die Union zu begleiten. Die EU muss ihre Investitionsprogramme noch stärker auf die Perspektiven der Menschen im Land ausrichten. Kriminellen Politikern, die mit Hassrede auftreten und dem Land die Spaltung mit Gewalt androhen, muss die EU ernsthaft und geschlossen entgegentreten.
Ein Reformprozess der Verfassung sollte jetzt mit Beteiligung der Bürger*innen beginnen, in dem auch die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte umgesetzt werden. Die Vorlage des Hohen Repräsentanten Christian Schmidt kommt zu einer irritierenden Zeit mitten in die Wahlauszählung.