Pressemitteilung vom 14.10.2022

Globale Ungleichheiten sind die Hauptursache für die Ernährungskrise

Zum Welternährungstag am 16. Oktober erklären Deborah Düring, Sprecherin für Entwicklungspolitik, und Renate Künast, Sprecherin für Ernährung und Landwirtschaft:

875 Millionen Menschen werden Ende dieses Jahres voraussichtlich unterernährt sein. Das ist mehr als ein Zehntel der Weltbevölkerung. Die multiplen Krisen unserer Zeit haben das Hungerproblem weltweit verschärft, aber nicht ausgelöst. Die Auswirkungen des Krieges gegen die Ukraine, die noch immer andauernde Coronapandemie und gerade auch die sich immer stärker auswirkende Klima- und Biodiversitätskrise sorgen für massive Unsicherheiten auf den weltweiten Agrarmärkten. Nahrungsmittelspekulationen tragen Schätzungen zufolge bis zu 15 Prozent zu den Preissteigerungen bei. Auch wenn es dringend geboten ist, schnelle Hilfe dort bereitzustellen, wo Menschen akut von Hunger betroffen sind: Wir müssen gleichzeitig die Strukturen ändern, die zu diesen Krisen führen.

Hauptursache für die Ernährungskrise sind globale Ungleichheiten: Zum einen gibt es ein großes Machtgefälle zwischen dem Globalen Norden und dem Globalen Süden, aber auch zwischen Agrarkonzernen und Kleinbäuerinnen. Zum anderen sind Nahrungsmittel extrem ungleich verteilt: In der EU werden mehr Lebensmittel weggeworfen als insgesamt importiert werden und ein großer Teil des produzierten Getreides dient nicht der menschlichen Ernährung, sondern landet in Futtertrögen und Tanks.

An all diese Baustellen müssen wir ran, um das Ziel der Ernährungssouveränität zu erreichen. Die politischen Maßnahmen müssen sich noch mehr auf die Stärkung von Kleinbauern und -bäuerinnen konzentrieren. Dazu gehören agrarökologische, klimaangepasste Anbaumethoden, der freie Zugang zu Saatgut und gesicherte Landrechte, insbesondere für Frauen. Lokale Vermarktungsstrukturen müssen gestärkt werden.

Die europäische Agrarpolitik muss den Mythos, die Welt könne nur durch europäische Exporte ernährt werden, überwinden. Das Gegenteil ist richtig: Wir müssen schleunigst damit aufhören, kostbare Anbauflächen im Globalen Süden für unsere Fleischproduktion zu belegen. Die Bundesregierung arbeitet zudem an einem Exportverbot für hochgiftige, in der EU bereits verbotene Pestizide. Das ist ein wichtiger Schritt zum Schutz von menschlicher Gesundheit, Biodiversität und Böden. Dabei ist es wichtig, dieses Verbot ambitioniert umzusetzen und Schlupflöcher zu vermeiden.

Bei der Regulierung von Nahrungsmittelspekulation muss noch einmal deutlich nachgeschärft werden, da die Finanzmarktrichtline der EU zu schwach ist, um preisverzerrende Spekulation einzudämmen. Auch die Spekulation mit Land muss eingedämmt werden. Viel zu oft wird Ackerland von Investoren gekauft und liegt brach, während für die Landbevölkerung immer kleinere Flächen übrig bleiben.