Israel könnte nach den Wahlen Unregierbarkeit drohen
Zu den Parlamentswahlen in Israel erklärt Lamya Kaddor, stellvertretendes Mitglied im Auswärtigen Ausschuss:
Israel hat ein neues Parlament gewählt - zum fünften Mal in dreieinhalb Jahren. Deshalb braucht es jetzt dringend eine handlungsfähige und stabile Regierung, denn das Wahlergebnis hat erneut gezeigt: Das Land ist gesellschaftlich und politisch polarisiert. Nationalistische und religiöse Kräfte werden in einer neuen israelischen Regierung den Ton angeben. Das ist keine gute Nachricht für all diejenigen, die sich in den vergangenen Jahren für einen Ausgleich mit den Palästinenser*innen nach innen und Kooperationsbereitschaft mit Europa und der US-Regierung unter Präsident Biden eingesetzt haben. Angesichts der sozialen, wirtschaftlichen und außenpolitischen Herausforderungen, vor denen Israel dieser Tage steht, muss eine weitere Spaltung der Gesellschaft unbedingt verhindert werden. Als Freunde und Partner Israels hat Deutschland für die Sicherheit und Entwicklungsperspektiven der israelischen Demokratie eine besondere historische Verantwortung, zu der wir ohne Wenn und Aber stehen.
Mit dem schlechten Abschneiden der gemäßigten säkularen Kräfte bei dieser Wahl, vor allem der Meretz-Partei, und der geringen Wahlbeteiligung arabischer Israelis verliert das israelische Parlament für einen Friedensprozess wichtige Perspektiven und Partner. Besonders besorgniserregend ist das starke Abschneiden der Partei Religiöser Zionismus mit dem rechtsextremen Politiker Itamar Ben-Gvir. Mehr denn je braucht es jetzt zukunftsorientierte und brückenbauende Politik, um die gesellschaftlichen Gräben zu überwinden, die politische Debatte im Land zu versachlichen sowie den Rechtsstaat und die Demokratie zu stärken und neue Anstöße für Friedensinitiativen zu entwickeln.
Dafür ist eine Politik der Spaltung und des Siedlungsausbaus kontraproduktiv. Eine weitere Eskalation der Gewalt im Westjordanland muss unbedingt verhindert werden, um der Gewaltspirale zu entkommen. Das Ziel sollte auch weiterhin die Zwei-Staaten-Lösung auf Grundlage der Grenzen von 1967 sein. Dem steht eine Politik der Spaltung, des fortgesetzten Siedlungsausbaus, der Zwangsräumungen und Häuserzerstörungen sowie der Verletzung von Menschenrechten in den besetzten Gebieten entgegen.