Pressemitteilung vom 11.07.2022

Russlands UN-Veto: Ein zynischer Schlag ins Gesicht der notleidenden Menschen in Syrien

Anlässlich des russischen Vetos im UN-Sicherheitsrat zur Verlängerung der Cross-Border-Resolution für grenzüberschreitende humanitäre Hilfe der UN in Syrien erklärt Lamya Kaddor, stellvertretendes Mitglied im Auswärtigen Ausschuss:

Russlands Zynismus gegenüber den notleidenden Menschen in Syrien ist zutiefst erschütternd. Die russische Blockade einer Resolution im UN-Sicherheitsrat zur Verlängerung grenzüberschreitender Hilfe in Syrien, die von Irland und Norwegen eingebracht und von vielen Staaten und NGOs unterstützt wurde, ist eine vermeidbare Verschärfung der humanitären Lage und macht erneut deutlich, wie Russland die Vereinten Nationen für seine politischen Spiele missbraucht.

Putins geopolitische Ambitionen in der Region und seine Unterstützung für Diktator Baschar al-Assad in Damaskus sind die Leitlinien seiner Außenpolitik und eben nicht die Linderung des Leids von Millionen von Menschen in Nordsyrien. Ein Trauerspiel! Damit sind schlimmste Befürchtungen wahr geworden. Die ohnehin schon dramatische humanitäre Notlage für die Menschen in Nordsyrien wird sich weiter verschlechtern.

Bereits in den vergangenen Monaten waren die UN-Hilfsleistungen statt über einst vier ausschließlich über einen einzigen Grenzübergang aus der Türkei möglich: Über Bab al-Hawa gelangten bis Sonntag Hilfsgüter direkt in die bedürftigen Gebiete Nordsyriens. Denn humanitäre Hilfe, die über Damaskus geliefert wird, lässt das syrische Regime kaum über die Frontlinie ins nördlich gelegene Idlib und verstößt damit gegen humanitäres Völkerrecht. Zugang zu Notleidenden muss aber neutral und unparteilich möglich sein und darf nicht aus politischen Gründen behindert werden. Erst durch die Blockade humanitären Zugangs durch das Assad-Regime wurde die Cross-Border-Resolution überhaupt notwendig, die erstmals 2014 verabschiedet worden war.

Etwa 2,8 Millionen Menschen sind im Nordwesten Syriens auf humanitäre Hilfe angewiesen. In diesem Jahr sind mehr Syrer*innen von Hunger bedroht als je zuvor in den vergangenen elf Jahren des Konflikts. Das Zusammentreffen verschiedener Krisen und wirtschaftlicher Schocks wie Inflation, wirtschaftlicher Zusammenbruch der Nachbarländer Syriens und die COVID-19-Pandemie sowie eine anhaltende Dürre haben die ohnehin schon katastrophale humanitäre Lage weiter verschärft.

Viele der häufig mehrfach geflüchteten Menschen leben seit Jahren in Zelten mit wenig oder gar keinem Zugang zu Wasser und sanitären Einrichtungen. Zum Überleben sind sie zum allergrößten Teil von humanitären Organisationen abhängig. Besonders Frauen und Mädchen sind  aufgrund von Überbelegung, mangelnder Privatsphäre, nicht eingezäunten Lagern oder nicht verschließbaren Zelten geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International machen deutlich, wie die syrische Regierung den Vertriebenen den Zugang zu wirtschaftlichen und sozialen Rechten verweigert oder behindert. Die Cross-Border-Lieferung humanitärer Hilfe durch die UN ist so lange alternativlos, wie Assad humanitäre Hilfe behindert. Es gibt keine Rechtfertigung dafür, die Hilfe für Syrer*innen zu einem Zeitpunkt einzuschränken, an dem der humanitäre Bedarf weiterhin immens und Syrien weit davon entfernt ist, ein befriedetes Land zu sein.

Die Cross-Border-Resolution liegt auf dem Tisch, Russland könnte zustimmen und damit viele Menschenleben retten. Es ist nun oberste Priorität, dass der UN-Sicherheitsrat schnellstmöglich erneut zusammenkommt, um eine langfristige Lösung zur humanitären Hilfe für den Norden Syriens zu erarbeiten.