Statement vom 04.06.2022

Sven-Christian Kindler zur kalten Progression

Zum Vorstoß des Finanzministers, die kalte Progression im kommenden Jahr angehen und die Schuldenbremse 2023 einhalten zu wollen, erklärt Sven-Christian Kindler, Sprecher für Haushaltspolitik:

„Das Angehen der kalten Progression hilft hohen Einkommen deutlich mehr als kleinen und mittleren Einkommen. Das wäre sozial ungerecht und zudem teuer für den Haushalt. Wir können über dieses Thema unter der klaren Bedingung reden, wenn eine Korrektur vollständig über eine Erhöhung der Einkommensteuer für Verdiener von Spitzeneinkommen gegenfinanziert wird. Das wäre dann haushaltsneutral und zudem gerecht.

Wir müssen die massiven Folgen von Corona, Krieg und fossiler Inflation abfedern. Dazu gehört auch, dass der Staat Bürgerinnen und Bürgern mit kleinen und mittleren Einkommen unter die Arme greift, so wie wir es mit mittlerweile zwei Entlastungspaketen getan haben. Aber insbesondere arme Menschen und Familien benötigen zusätzliche Unterstützung, denn sie leiden unter den steigenden Lebensmittel- und Energiepreisen am meisten. Für sie brauchen wir weitere Hilfen.

In Krisenzeiten darf und wird es keine Sparpolitik geben. In den kommenden Jahren stehen wir vor immensen Herausforderungen, für die jeder Cent benötigt wird. Die Pandemie ist noch lange nicht vorüber, wie wir gerade in Portugal sehen. Und auch der schwere Konflikt mit dem russischen Regime wird leider nicht in kurzer Zeit vorbei sein. Das hat große internationale, wirtschaftliche und soziale Folgen. Deswegen ist es zentral, dass Europa in diesen Zeiten fest und geeint zusammensteht.       

Diesem übergeordneten Ziel muss sich auch die Finanzpolitik mit ihrer dienenden Funktion unterordnen. Deswegen ist es richtig, dass angesichts der großen Belastungen von Pandemie und Krieg die EU-Kommission für 2023 die Ausnahmeklausel des Stabilitätspakt-und Wachstumpaktes beschlossen hat. Europa hat aus den Fehlern der Austeritätspolitik der letzten Finanzkrise gelernt. In Zeiten der Not handelt man und kürzt nicht in die Krise hinein.

Insbesondere Deutschland hat als größte Volkswirtschaft in Europa eine besondere Bedeutung für eine aktive Finanzpolitik in den nächsten Jahren. Das gilt auch für die Aufstellung des Bundeshaushalt 2023. In Zeiten der Not setzt man nicht den Rotstift an und suggeriert Normalität, sondern geht die Krisen entschlossen an.“