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Proteste im Iran unterstützen, Sanktionen verstärken
- Der ungeheure Mut von Frauen, Männern und Jugendlichen, die sich seit Monaten der Sittenpolizei und politischer Unterdrückung widersetzen, hat unsere volle Solidarität und Unterstützung. Wir verurteilen aufs Schärfste die feige Art des Regimes, gegen die meist jungen Demonstrierenden die Todesstrafe zu verhängen.
- Wir haben uns für die Sanktionspakete gegen Verantwortliche und Organisationen des Regimes stark gemacht, die auf Initiative von Annalena Baerbock durch die EU-Außenminister*innen seit Oktober 2022 beschlossen wurden. Wir treten für weitere Nachschärfungen ein, unter anderem die Listung der Revolutionsgarden als Terrororganisation.
- Gemeinsam mit den Koalitionspartnern fordern wir in einem Antrag im Bundestag unter anderem, den politischen und diplomatischen Druck auf das Regime in Teheran aufrecht zu erhalten und eine Sondersitzung des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen einzuberufen.
Größte Herausforderung des Regimes seit 2009
Seit September 2022 dauern die Straßenproteste gegen Menschenrechtsverletzungen und gegen das repressive politische System in der Islamischen Republik Iran an. Auslöser war der Tod der 22-jährigen Mahsa Jina Amini in Polizeigewahrsam nach einer Verhaftung der Sittenpolizei wegen eines „nicht korrekt“ sitzenden Kopftuchs.
Mutige Frauen sind daraufhin zur treibenden Kraft der Proteste geworden. Sie ziehen ihre Schleier aus, schneiden sich die Haare ab und widersetzen sich der staatlichen Repression. Seitdem haben die Proteste sich gruppen- und schichtübergreifend ausgeweitet: Schüler*innen, Student*innen, Arbeiter*innen, Händler*innen demonstrieren, streiken, solidarisieren sich. Die Proteste bringen das Leid einer unterdrückten Bevölkerung zum Ausdruck. Das Regime reagiert mit brutaler Härte. Die Proteste stellen die größte Herausforderung des Regimes seit dem Aufstand gegen die Präsidentschaftswahl 2009 dar. Die Proteste halten ethnien- und religionsübergreifend weiter an trotz der drastischen Maßnahmen des Regimes. Bis Anfang 2023 wurden etwa 500 Menschen getötet und mehr als 20.000 verhaftet.
Wir verurteilen die brutale Gewalt und stehen solidarisch an der Seite der Frauen, Männer, Jugendlichen und Kinder, die gegen Menschenrechtsverletzungen und jahrzehntelange politische Unterdrückung im Land protestieren. Besonders scharf verurteilen wir die Verhängung und Ausführung der Todesstrafe gegen diese jungen Menschen in Scheinprozessen. Viele Bundestags- und Landtagsabgeordnete der Grünen haben öffentlich Patenschaften für die Menschen in Todeszellen übernommen, um ihr Schicksal noch sichtbarer zu machen.
Maßnahmen gegen das iranische Regime
Außenministerin Annalena Baerbock hat sich von Anfang an hinter die Proteste gestellt und Europäische Sanktionen gefordert. Bereits am 26. September 2022 hat sie den Iranischen Botschafter ins Auswärtige Amt einbestellt und klar gemacht, dass die eskalierende Gewalt gegen Demonstrantinnen und Demonstranten Konsequenzen für das Regime haben werde.
Auf deutsche und französische Initiative hin wurde am 17. Oktober 2022 ein erstes EU-Sanktionspaket gegen elf verantwortliche Personen und vier Organisationen, die für die brutale Niederschlagung der Proteste verantwortlich sind, verabschiedet. Darunter fallen neben verantwortlichen Mitgliedern der sogenannten Sittenpolizei auch die Cyber-Einheit der iranischen Revolutionsgarden. In weiteren Sanktionspaketen, die in Schritten von der EU bis heute erlassen wurden, folgte die EU-Listung von weiteren Personen und Organisationen, darunter Minister, Abgeordnete, Richter und immer wieder führende Personen der Revolutionsgarden. Zu den sanktionierten Organisationen gehören u.a. ein Propaganda- und ein IT-Unternehmen, die für Propaganda zuständige staatliche Rundfunkgesellschaft Islamic Republic of Iran Broadcasting (IRIB) und das iranische Mobilfunk-Unternehmen Ariantel. Gegen alle Betroffenen wurden Einreiseverbote verhängt, zudem wird ihr Vermögen in der EU eingefroren.
Wir Grüne im Bundestag setzen uns für weitere, auch gezielte Einzelsanktionen ein. Außenministerin Baerbock hat zudem deutlich gemacht, dass sie sich weiterhin für eine Einstufung der iranischen Revolutionsgarden als Terrororganisation einsetzt und entsprechende rechtliche Möglichkeiten ausloten lassen will.
Weitere EU-Menschenrechtssanktionen sind in Vorbereitung. Die Bundesregierung schränkt Visa für Inhaber von offiziellen Pässen ein und erschwert die Einreise für Angehörige von EU-gelisteten Organisationen. Die Außenministerin schreibt: „Die brutale Unterdrückung darf für die Verantwortlichen nicht ohne Konsequenzen bleiben. Dafür muss Beweismaterial gesammelt werden." Ein Sonder-Menschenrechtsrat der UN und NGOs sollen Verbrechen dokumentieren.
Deutschland wird seine Projekte unter anderem im Menschenrechtsbereich ausbauen und „Plätze für besonders gefährdete iranische Personen aus den Bereichen Kultur, Wissenschaft, Medien und Zivilgesellschaft in unseren Schutzprogrammen“ bereitstellen. Baerbock stellte klar, es darf „kein business as usual“ geben. Deutschland wird „die wenigen verbliebenen Instrumente bei Handel und Finanzbeziehungen kritisch“ überprüfen und „die Präsenz der in Iran tätigen deutschen Kulturmittler“ reduzieren.
Am 24. November 2022 beschloss der UN Menschenrechtsrat in Genf, unter anderem auf Initiative der deutschen Bundesregierung, schließlich eine unabhängige, internationale Fact-Finding Mission, um die Menschenrechtsverletzungen gründlich und unabhängig in Zusammenhang mit den Protesten im Iran seit September zu untersuchen.
Bereits im September haben Mitglieder des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe fraktionsübergreifend die Erklärung „Gemeinsam für Frauen- und Menschenrechte im Iran – Solidarität mit der mutigen Zivilgesellschaft im Iran“ verabschiedet. Außerdem drängen wir Grüne im Bundestag auf einen bundesweiten Abschiebestopp der Bundesländer in den Iran.
Unterdrückung nach innen und Destabilisierung nach außen
Obwohl Iran als Mitglied der Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte anerkannt und den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte ratifiziert hat, hat sich die Menschenrechtslage im Land in den vergangenen Jahren konstant verschlechtert. Das Regime bedient sich menschenverachtender Strafen wie das Blenden von Augen, Peitschenhiebe oder der Todesstrafe. Zuletzt ist die Anzahl der Hinrichtungen erheblich angestiegen. Es fehlt an rechtstaatlichen Verfahren; unter Folter erzwungene Geständnisse können zur Todesstrafe führen. Die LGBTQI-Community im Iran ist in besonderem Maße gefährdet.
Das Regime ist unter diesen Umständen kein Partner, sondern ein extrem schwieriger Akteur im Nahen Osten: Die Menschenrechtslage ist verheerend, das Raketenprogramm besorgniserregend, Waffenlieferungen an Russland im Angriffskrieg gegen die Ukraine völkerrechtswidrig, die aggressive Regionalpolitik destabilisierend und die Drohungen in Richtung Israel sind absolut inakzeptabel. Iran muss seine aggressive und kostspielige militärische Rolle in der Region und der Welt endlich aufgeben und stattdessen Lebensperspektiven für die iranische Bevölkerung verbessern, statt sie in regionalen Kriegen als Kanonenfutter und Ressource für Krieg, Destabilisierung und Zerstörung einzusetzen.
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