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Lebensmittelversorgung weltweit sichern

  • Putins Angriff auf die Ukraine führt zu Preissteigerungen auf den internationalen Agrarmärkten und bedroht in Teilen der Welt die Ernährungssicherheit. Direkte Hilfen für die Menschen in der Ukraine sind auf dem Weg, doch Hungerhilfe muss weltweit gewährleistet bleiben. Steigende Getreidepreise dürfen nicht auf Kosten der Ärmsten gehen.
  • Die Lebensmittelversorgung in Deutschland und der EU ist gesichert, steigende Preise müssen allerdings abgefedert werden, auch für die Landwirt*innen.
  • Dieser Krieg macht uns deutlich: Die Umstellung auf eine resiliente, möglichst regionale Lebensmittelversorgung aus ökologisch nachhaltiger Produktion ist nötiger denn je.

Hunger als Mittel der Kriegsführung

Auf die gezielte Verhinderung von Getreidelieferungen aus Russland und der Ukraine haben die Märkte mit einer starken Verteuerung reagiert. Bisher handelt es sich um ein Preis- und Verteilungsproblem mit erheblichen politischen und humanitären Auswirkungen. Die für den Herbst zu erwartenden kriegsbedingten Ernteausfälle lassen eine weitere Verknappung erwarten.

Dagegen laufen die Anstrengungen, dort Hilfe zu leisten, wo Menschen sich das tägliche Brot nicht mehr leisten können oder kriegsbedingt keinen ausreichenden Zugang zu Lebensmitteln mehr haben.

In Deutschland arbeiten gleich drei Bundesminister*innen daran, die globale Ernährung zu sichern: Annalena Baerbock, Cem Özdemir und Svenja Schulze. Bei der Konferenz „Gemeinsam für mehr Ernährungssicherheit“ am 24. Juni setzten sie sich dafür ein, in den folgenden Wochen verbindliche Zusagen weiterer Geber zu erhalten. Die Bundesregierung stellt bisher 430 Millionen für die globale Ernährungssicherung zur Verfügung.

Wir müssen aber auch die Widerstandfähigkeit Widerstandsfähigkeit unseres Ernährungssystems deutlich erhöhen. Dazu gehören eine eine globale agraökologische Wende und mehr Ernährungssouveränität.

Das Landwirtschaftsministerium hat für die direkte Hilfe kurzfristig eine eigene Koordinierungsstelle eingerichtet und zur Abfederung der Preiseffekte in Deutschland erste Maßnahmen beschlossen, die aktuell im Rahmen des EU-Krisenmechanismus ergänzt werden. Das Offenhalten der globalen Märkte und das Vorgehen gegen Spekulation sollen zur Konsolidierung der Preise beitragen und die Nothilfe für Hungerregionen unterstützen.

Umsteuern dringend geboten

Doch um das Angebot an Getreide und Ölsaaten für den Konsum mittelfristig stabiler aufzustellen, braucht es ein Umsteuern, das auch aus anderen Gründen dringend geboten ist. Ukraine-Krieg, Klimakrise und Biodiversitätskrise sind gleichzeitige Herausforderungen. Bundesminister Cem Özdemir erklärte dazu in einer aktuellen Stunde im Bundestag: „Der Hunger ist schon vor dem Krieg dort groß, wo die Klimakrise bereits voll zuschlägt“. So verbrennt der Weizen in Indien sprichwörtlich auf dem Feld. Ostafrika leidet unter einer langanhaltenden Dürreperiode. Die sich gegenseitig verstärkenden Krisen erfordern Lösungsansätze, die auf allen drei Ebenen positiv wirken müssen und können.

Der Selbstversorgungsgrad Deutschlands liegt bei Produkten wie Fleisch, Kartoffeln, Milch und Weizen deutlich über 100 Prozent. Rund zwei Drittel der EU-Getreideernte und 70 Prozent der Ölsaaten landen im Futter. Das Land, das für die Produktion von EU-Agrokraftstoffen verwendet wird, könnte deutlich über 100 Millionen Menschen zusätzlich ernähren. Mehr pflanzliche Produkte in den direkten Konsum bringen, eine Reduktion der Tierzahlen und die konsequente Umsetzung des Mottos „Teller vor Tank“ tut Not. Wenig zielführend sind dagegen Ansätze, Umwelt und Ernährungssicherheit gegeneinander auszuspielen.

Gegen Scheinlösungen von gestern

Die hart erkämpfte Ökologisierung der europäischen Agrarpolitik auszusetzen und lange aufgeschobene Problemfelder weiterhin nicht anzufassen, schafft statt Lösungen für die akute Krise zusätzliche neue Probleme. Letztlich soll ein in die Jahre gekommenes Geschäftsmodell am Laufen gehalten werden, das auf energieintensiven chemischen Pestiziden und künstlichen Düngemitteln fußt. Einer solchen zukunftsvergessenen Agrarpolitik erteilte Bundesminister Cem Özdemir in der aktuellen Stunde im Bundestag eine klare Absage.

Es ist die sogenannte intensive industrielle Landwirtschaft, die einen großen Teil des globalen Ackerlandes zur Fleischproduktion auf Kosten von Klima, Artenvielfalt und Umwelt nutzt. Es wäre wesentlich effizienter, diese Flächen direkt für die menschliche Ernährung zu verwenden. Was wir brauchen ist „Teller zuerst“, um das Recht auf Nahrung zu verwirklichen, also Ernährungssicherung statt Futtermittelsicherung. Was wir erreichen müssen, ist mehr Unabhängigkeit und Widerstandsfähigkeit unserer Lebensmittelproduktion - durch eine Verringerung der Abhängigkeit von teuren, klima- und naturschädlichen Inputs, wie immer mehr Düngemittel und Pestizide.

Diesem Kurs schließen sich etwa 200 Klima-, Umwelt- und Gesundheitswissenschaftler*innen in einer aktuellen Stellungnahme an. Sie fordern für eine nachhaltige Entwicklung eine gesündere Ernährung mit weniger tierischen Produkten, die Ausweitung des Anbaus von Hülsenfrüchten, kombiniert mit einer weiteren Ökologisierung der Agrarpolitik, und eine Verringerung der Lebensmittelverschwendung.

Langfristig sinnvoll handeln

Aus dem Angriffskrieg auf die Ukraine müssen wir die Lehre ziehen, Abhängigkeiten in systemrelevanten Sektoren zu reduzieren. Ernährung und Landwirtschaft sind systemrelevant. Wir müssen langfristig sinnvoll handeln, Ernährungspolitik wird nur gemeinsam mit Klima- und Biodiversitätsschutz nachhaltig und erfolgreich sein.

Ziele unserer Agrar- und Ernährungspolitik:

  • Das Ernährungssystem national und international resilienter machen, indem wir etwa unseren Selbstversorgungsgrad bei Obst (derzeit 20 Prozent) und Gemüse (derzeit 37 Prozent) deutlich erhöhen und gleichzeitig Klima und Artenvielfalt schützen.
  • Eine sozial und ökologisch nachhaltige Agrarwende mit einer aktiven Ernährungspolitik verbinden, die Nachfrage für regional und nachhaltig erzeugte Produkte stärken und Landwirt*innen langfristige Perspektiven bieten.
  • Die Abhängigkeit von energieintensiven Inputs (vor allem Düngemittel und Pestizide) zu verringern und Nährstoffkreisläufe regional schließen.
  • Landwirtschaftliche Flächen in Deutschland durch eine deutliche Reduktion der Tierbestände effizienter nutzen und durch weniger Futtermittelimporte auch den Grad der Flächennutzung in anderen Ländern absenken.
  • Weltweit das Recht auf Nahrung durchsetzen, ressourcenschonende agrarökologische Methoden und die Rechte von Kleinbäuer*innen (die einen Großteil der Welternährung leisten) stärken.

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