Rede von Lamya Kaddor Islamismus
Lamya Kaddor (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Throm, ich weise Ihren Vorwurf, ich würde mich nicht genügend zum Thema Islamismus positionieren, entschieden zurück, und ich erwarte auch eine Entschuldigung von Ihnen.
(Lachen des Abg. Alexander Throm [CDU/CSU] – Alexander Throm [CDU/CSU]: Da können Sie lange warten!)
Ich sage Ihnen auch, warum. Als ich mich entschieden habe, Arabistik und Islamwissenschaft zu studieren, war ich eine junge Frau, die mit einer konservativen, geschweige denn mit einer fundamentalistischen Lesart des Islam nichts anfangen konnte. Seitdem – seit über 20 Jahren – widme ich mein Leben der Aufgabe, ein sehr moderates, liberales, progressives Islamverständnis in dieses Land zu bringen.
(Zuruf von der AfD: Das ist irgendwie danebengegangen! – Jürgen Braun [AfD]: Komplett gescheitert!)
Ich habe 15 Jahre lang islamischen Religionsunterricht in deutscher Sprache unterrichtet, den übrigens auch die schwarz geführten Bundesländer alle wollten. Ich habe schwarz geführte Bundesländer – eigentlich alle – in Fragen des Islam, des Islamismus, der Integration beraten. Meine Kinder haben einen jüdischen Kindergarten besucht. Ich bin mit einem sozusagen deutsch-deutschen Mann verheiratet.
(Beatrix von Storch [AfD]: Was ist denn „deutsch-deutsch“?)
Dafür werde ich massiv angegangen. Ich habe den ersten Koran für Kinder und Erwachsene in die deutsche Sprache übersetzt – wofür ich sehr angefeindet wurde. Ich habe die erste Schulbuchreihe für islamischen Religionsunterricht herausgegeben – wofür ich sehr angefeindet werde. Es wird mir nach meinem Leben getrachtet, sehr oft und immer wieder, eigentlich dauernd. Nach jeder Rede hier im Deutschen Bundestag veröffentlicht „Generation Islam“ oder „Realität Islam“ oder „Muslim Interaktiv“ ein nettes Video über mich, 14 Minuten, und ich muss jedes Mal denken: Okay, nett, dass die Islamisten mal wieder mich auf dem Schirm haben. Deshalb finde ich es, ehrlich gesagt, sehr schwierig, wenn Sie sich hierhinstellen und über meine Persönlichkeit sprechen, über meine Arbeit und mein Wirken seit über 20 Jahren.
Meine Familie wird in Syrien von Islamisten verfolgt und bedroht. Mein Vater ist ermordet worden – übrigens in Syrien, weil dort Islamisten herrschen. Ich möchte nur mal kurz einordnen, zu wem Sie hier eigentlich reden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der Linken)
Es ist eine Unverschämtheit, dass Sie Menschen wie mich, die jeden Tag entweder von Rechten oder von Islamisten angefeindet werden – das ist nun mal meine Realität, ehrlich gesagt –, hier so attackieren. Es kann nicht sein, Herr Throm, dass Sie persönlich werden.
(Steffen Bilger [CDU/CSU]: Das machen Sie doch! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)
Wir können uns wirklich streiten, und ich finde das gut – ich bin auch streitbar, und meine Positionen sind streitbar –; das finde ich total in Ordnung. Auch eine harte – –
(Zurufe von der CDU/CSU)
– Lassen Sie mich ausreden! – Auch eine harte Auseinandersetzung finde ich total in Ordnung, Herr Throm.
(Zurufe von der CDU/CSU – Gegenruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt reißen Sie sich doch mal zusammen!)
Was aber nicht geht, ist, dass Sie eine Frau, die dauernd dafür angefeindet wird, dass sie liberale Muslimin ist, hier so angehen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und der Linken)
Das geht aus meiner Sicht nicht, und ich verwahre mich dagegen, dass Sie das tun.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und der Linken)
Denn das ist genau das, was Islamisten wollen, Herr Throm:
(Zuruf von der AfD)
Islamisten wollen, dass Sie Menschen wie mich angehen.
Konzentrieren wir uns doch gemeinsam auf die Feinde der Demokratie – auf islamistische Agitatorinnen und Agitatoren – und nicht auf jene, die Islamisten bekämpfen wollen.
(Zuruf der Abg. Dr. Silke Launert [CDU/CSU])
Ich denke, das kann ich sehr, sehr glaubhaft sagen.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Alexander Throm [CDU/CSU]: Also, Entschuldigung!)
Vizepräsidentin Yvonne Magwas:
Für eine Minute lasse ich noch eine kurze Erwiderung zu. Aber es ist nicht das Ziel einer persönlichen Erklärung, in einen Dialog einzutreten.
(Widerspruch bei der CDU/CSU)
Herr Throm, Sie dürfen noch eine einminütige Erwiderung geben. Dann gehen wir in die namentliche Abstimmung.