Rede von Katharina Beck Unternehmensteuer

Katharina Beck MdB
28.06.2024

Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Wenn man hier so sitzt und den Reden zuhört, dann klatscht man manchmal fast automatisch. In der Regel klatscht man eher für die Reden der eigenen Fraktion oder die der Koalition und nicht unbedingt für die der Opposition. Aber als der liebe Kollege Fritz Güntzler gerade seine Rede beendete mit den Worten „für den Wirtschaftsstandort Deutschland“, habe ich mich dabei ertappt, sehr gerne dafür klatschen zu wollen.

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Und? Haben Sie es gemacht?)

Denn für den Wirtschaftsstandort Deutschland machen wir die ganze Zeit Politik.

Bevor ich auf die Details eingehe, möchte ich kurz starten mit dem Thema Wettbewerbsfähigkeit. Wettbewerbsfähigkeit ist das, was wir mit dieser Ampelregierung die ganze Zeit stärken. Wir haben es geschafft, uns unabhängig zu machen von Gas, das wir bis 2022 zu 55 Prozent aus Russland bezogen haben, und können uns jetzt stärker aus eigener Kraft mit Energie versorgen. Das ist unfassbar wichtig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Maximilian Mordhorst [FDP])

Wir reden gleich über Steuern. Wie wichtig sind Steuern dafür, dass ein Land wettbewerbsfähig ist? Spoiler: Sie sind wichtig, aber – auch Spoiler – nicht so wichtig wie eine funktionierende Infrastruktur.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Infrastruktur ist viel entscheidender. Schauen Sie sich das mal an!

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Also besser ist, man ist in beidem gut!)

Es gibt Indizes zum Beispiel vom Weltwirtschaftsforum oder vom IW Köln – das sind konservative Institutionen –, die die Faktoren für Wettbewerbsfähigkeit benennen. Ja, das sind Infrastruktur und funktionierende Logistik. Es ist ja logisch, dass ein Unternehmen, das seine Brötchen von A nach B transportieren muss, nicht dauernd über Schlaglöcher fahren sollte. Das ist nur ein Beispiel.

Ein weiterer Faktor für Wettbewerbsfähigkeit ist, dass es genug Fachkräfte gibt. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz haben wir beschlossen. Da musste sehr viel passieren. Diese Fortschrittskoalition ist da viel moderner.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dagmar Andres [SPD])

Sie hat Menschen, die schon hier sind, aber lange nicht arbeiten durften unter der unionsgeführten Bundesregierung,

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!)

ermöglicht, endlich arbeiten zu dürfen.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das ist einfach nicht wahr!)

– Das stimmt sehr wohl. – Auch bei den Ukrainerinnen und Ukrainern ist es am Anfang nicht immer einfach gewesen, sofort hier arbeiten zu dürfen.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Hä?)

Auch das erleichtern wir jetzt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein dritter Faktor ist Sicherheit. Man muss sicher unterwegs sein können.

(Stephan Brandner [AfD]: So gut wie gar nicht!)

Ein weiterer Faktor sind Steuern. Nach der Gewichtung der Wirtschaftsinstitute sind Infrastrukturfaktoren ungefähr zu einem Drittel, also zu etwa 30 Prozent, relevant, Steuern nur zu 3 Prozent oder weniger. Aber sie sind wichtig. Vor allen Dingen ist wichtig – das lobe ich auch an Ihrem Antrag –, wie das Steuerrecht organisiert ist. Ihr Antrag thematisiert ja nicht nur die steuerliche Wettbewerbsfähigkeit, sondern auch den Abbau der Bürokratie im Steuerrecht in Teil 2 und die Verbesserung der Strukturen im Steuerrecht in Teil 3. Ich bin sehr glücklich, dass Sie das einbringen. Aber ich wäre noch glücklicher, wenn Sie mehr mit Ihren Ländern darüber reden würden;

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Auch mit Ihren Ländern!)

denn wir haben ja eine föderale Finanzverfassung.

Zum Beispiel bei der Digitalisierung stehen wir vor riesigen Herausforderungen. Wir möchten gerade eine klitzekleine Änderung an den Steuerklassen vornehmen. Es gibt die Steuerklassen III und V – wer verheiratet ist, kennt sie –, die teilweise komische Anreize setzen. Wir wollen sie in ein Faktorverfahren – das alles ist jetzt ein bisschen kompliziert; vielleicht kann ich das in einer anderen Rede noch mal erklären – überführen.

(Jörn König [AfD]: Können Sie mal zur Unternehmensteuer reden?)

Es wird wahrscheinlich fünf Jahre dauern, bis wir das einführen können, einfach weil die Digitalisierung so lange braucht, weil das KONSENS – das ist ein digitales System – einfach zu langsam ist. Wir müssen da moderner werden. Wenn Sie da mitmachen wollen, dann bitte ich Sie, wirklich ernsthaft mit den von Ihnen geführten Ländern zu reden, damit wir das zusammen hinbekommen. Das schaffen wir nämlich nur zusammen. Es reicht nicht, hier nur einen Schaufensterantrag einzubringen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zum Thema Steuern. Ich möchte hier mit einem Mythos aufräumen, nämlich dem, dass diese Ampelregierung nicht entlastet. Das Gegenteil ist der Fall. Ich habe es noch mal ausgerechnet. Wir haben mit dem Vierten Coronahilfe-Steuergesetz, dem Energiesteuersenkungsgesetz, dem Steuerentlastungsgesetz, dem Jahressteuergesetz 2022, dem Gesetz zur temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz, dem Zukunftsfinanzierungsgesetz, dem Inflationsausgleichsgesetz und dem Wachstumschancengesetz

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

für dieses Jahr über 45 Milliarden Euro an Steuern gesenkt – für die Menschen, aber auch für die Unternehmen. Das ist einfach unfassbar viel. Ja, wir kämpfen jetzt andererseits beim Haushalt damit. Aber wir entlasten die Menschen und die Unternehmen in diesem Land massiv.

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Merkt nur keiner!)

Es ist wichtig, dass das ankommt.

(Jörn König [AfD]: Kommt aber nicht an!)

Das haben wir ganz klar im Blick. Denn wir wissen, dass aufgrund der Inflation alles teurer geworden ist. Deswegen ist uns das so wichtig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie fordern in Ihrem Antrag zusätzliche Steuersenkungen von ungefähr 40 Milliarden Euro. Ist das Ihr Ernst?

(Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Nee! So viel ist das nicht!)

Ich sehe zumindest einen, nämlich Jens Spahn, der auch bei den Bund-Länder-Verhandlungen zum Wachstumschancengesetz dabei war. Da wollten wir vonseiten des Bundes um 7 Milliarden Euro entlasten. Woran ist es gescheitert, dass es nicht 7 Milliarden Euro an Entlastungen, sondern dann nur 3,2 Milliarden Euro geworden sind?

(Beifall der Abg. Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Weil die Landeshaushalte unter einer noch strikteren Schuldenbremse leiden und sehr enge Haushalte haben.

(Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Für den Soli brauchen wir die Länder gar nicht!)

Ich weiß wirklich nicht, ob Sie von der Bundestagsfraktion überhaupt mal mit Ihren Landesfinanzministern reden, wie es möglich sein soll, jetzt noch ein My mehr Steuersenkungen zu machen, wenn mehr als 3,2 Milliarden Euro damals nicht drin waren, und das ist erst drei Monate her. Da muss man sich ehrlich machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Trotzdem haben wir es geschafft, Träume, die Sie immer hatten, mit der SPD umzusetzen, nämlich beim Verlustvortrag. Das fanden wir auch nicht toll, aber wir haben es jetzt gemacht.

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Ein bisschen gemacht!)

Es ist eine Erleichterung. Wir einigen uns miteinander. Das haben Sie nie geschafft. Wir als Ampel haben das jetzt geschafft, und das ist auch mal Applaus wert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Zudem habe ich mich sehr amüsiert, als ich gesehen habe, dass Sie eine Turboabschreibung fordern. Wir wollten eine Superabschreibung; das fanden wir super. Ihre Länder fanden das nicht so super, Sie selber fanden das auch nicht super. Jetzt wollen Sie aber Turbo. Ich muss sagen: Das finde ich megaunseriös.

(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn wenn Sie Super schon nicht wollen, wie wollen Sie dann Turbo hinbekommen?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Außerdem haben wir Abschreibungserleichterungen im Wohnungsbau gemacht, die Sie sich, glaube ich, auch nie vorstellen konnten:

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Wir reden hier über Unternehmen und nicht über Wohnungsbau!)

5 Prozent bei der Wohn-AfA, noch mal 6 Prozent on top nach § 7b EStG.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss, bitte.

Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Das ist ein absoluter Wohnbooster.

Vielen Dank für die Vorschläge und das Angebot, bei den Strukturen und der Bürokratie was zu machen! Und bei der Steuerpolitik in Zukunft bitte seriöser vorgehen!

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Frau Kollegin Beck. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Markus Herbrand, FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)