Völkermord

Bundestag erkennt Genozid an Jesid*innen an

Mitglieder der jesidischen Gemeinde im Plenarsaal des Bundestages.
In Deutschland lebt die größte jesidische Diaspora. Das verpflichtet uns, im Bundestag aktiv zu werden. picture alliance/dpa | Carsten Koall
19.01.2023
  • Mit überwältigender Mehrheit hat der Bundestag die Anerkennung des Genozids an den Jesidinnen und Jesiden durch den sogenannten Islamischen Staat (IS) im Irak und in Syrien beschlossen.
  • Wir Grüne im Bundestag betonen konkrete Forderungen, die mit der Anerkennung des Völkermords verbunden sind. Im Mittelpunkt stehen die Stärkung der juristischen Aufarbeitung der Völkerrechts- und Menschenrechtsverstöße, der Schutz besonders vulnerabler Gruppen sowie außenpolitisches Engangement für die jesidische Gemeinschaft.
  • Der Antrag bietet auch die Chance, unsere Einwanderungsgesellschaft neu zu denken, indem wir die von staatlichen Repressalien oder anderen Unrechtsregimen betroffenen Gemeinschaften stärker in die deutsche Außenpolitik einbinden.

Mit der Anerkennung des Genozids an den Jesidinnen und Jesiden verneigt sich der Deutsche Bundestag vor dessen Opfern und erkennt die Gräueltaten durch den sogenannten Islamischen Staat (IS) im Shingal endlich offiziell als Versuch der totalen Auslöschung der jesidischen Gemeinschaft an. Tausende Menschen wurden 2014 in ihrer Heimatregion vergewaltigt, versklavt und ermordet – die Auswirkungen dieses Völkermordes dauern aber bis heute an. Denn weiterhin werden viele Jesidinnen und Jesiden vermisst und eine sichere Rückkehr in ihre Heimatregion ist für viele Menschen nicht möglich.
Viele dieser Menschen, die unfassbares Leid ertragen mussten, haben in Deutschland Schutz gefunden.

In Deutschland lebt die größte jesidische Diaspora. Das verpflichtet uns, als Bundestag, aktiv zu werden. Erlebte Traumata, die stetige Angst, nicht in Sicherheit zu leben, das Gefühl, dass die Welt nicht auf die humanitäre Lage der Jesid*innen schaut – mit unserer Initiative möchten wir genau hierunter einen Schlussstrich ziehen.

Max Lucks Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag

Deutschland trägt besondere Verantwortung für Aufarbeitung

Vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte und unserer heutigen Rolle in der internationalen Gemeinschaft formuliert der Antrag eine besondere Verantwortung für die Aufarbeitung von Menschenrechtsverbrechen wie diesem Völkermord. Die fortlaufende Bedrohung für Jesidinnen und Jesiden und die dramatischen Folgen des Genozids erfordern jetzt weitere politische Handlungen. Deshalb werden erstmals in einem Antrag des Bundestags auch konkrete politische Forderungen mit der Anerkennung eines Genozids verknüpft. Gemeinsam mit den anderen Fraktionen wollen wir die juristische Aufarbeitung der Verbrechen stärken, Projekte für jesidisches Leben in Deutschland noch intensiver fördern, mehr Sicherheit in Shingal schaffen und die humanitäre Lage vor Ort spürbar verbessern.

Ein erster wichtiger Schritt

Für viele Menschen ist diese Anerkennung nur ein kleiner Schritt auf dem Weg zu mehr Sicherheit für die jesidische Gemeinschaft, zu Frieden und Gerechtigkeit. Doch auch sie betonen die aktuelle und zukünftige Verantwortung Deutschlands zum Schutz und zur Sichtbarkeit jesidischen Lebens. Aus Sicht der grünen Bundestagsfraktion bietet der Antrag auch die Chance, unsere Einwanderungsgesellschaft neu zu denken, indem wir die von staatlichen Repressalien oder anderen Unrechtsregimen betroffenen Gemeinschaften stärker in die deutsche Außenpolitik einbinden.

Parlamentarischer Empfang anlässlich der Anerkennung des Völkermordes

Im Anschluss an die Anerkennung des Parlaments richtete die grüne Bundestagsfraktion einen parlamentarischen Empfang aus, um mit zahlreichen Akteurinnen und Akteuren der jesidischen Gemeinschaft ins Gespräch zu kommen. Neben Außenministerin Annalena Baerbock, Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und Luise Amtsberg, Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik, nahmen die Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge, Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt, Max Lucks, Obmann im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe und Agnieszka Brugger, stellvertretende Fraktionsvorsitzende, an der Veranstaltung teil. In zwei Panels wurde die Stärkung der jesidischen Gemeinschaft und die Situation der Frauen besprochen. Vertreter*innen der Zivil- und Religionsgemeinschaft, unter anderem Prinzessin Mayan Khairi Beg, Düzen Tekkal und Prof. Dr. Dr. Jan Ilhan Kizilhan nahmen an der Gesprächsrunde teil. Gohdar Alkaidy, der die Petition in den Bundestag eingebracht hatte, dankte für die Unterstützung durch das Parlament.

Bundestagsrede Annalena Baerbock, BM 

Bundestagsrede Max Lucks MdB