Danyal Bayaz im Porträt

Upgrade für die soziale Marktwirtschaft

Danyal Bayaz im Porträt
Über Hip-Hop zur Politik, dann Zwischenstopp als Unternehmensberater und jetzt Start-up-Beauftragter der grünen Bundestagsfraktion: Danyal Bayaz will der Industrie Beine machen und die soziale Marktwirtschaft ökologisch gestalten. Grüne Bundestagsfraktion / Stefan Kaminski
01.09.2019

„Cash rules everything around me“, textet der Wu-Tang Clan. Geld regiert alles um mich herum. „Das wichtigste Lied für einen Finanzpolitiker“, sagt Danyal Bayaz und lacht. Erst kürzlich war der erklärte Hip-Hop-Fan bei einem Konzert der New Yorker Legenden. Diese Leidenschaft hängt auch mit seiner Heimatstadt Heidelberg zusammen, wo Advanced Chemistry mit politisch und intellektuell motiviertem Hip-Hop die Marke setzten.

„Guter Hip-Hop ist ein Gradmesser für gesellschaftliche Themen“, sagt er. „Darüber bin ich zur Politik gekommen.“ Auch sonst hat Heidelberg dem 35-Jährigen viel mit auf den Weg gegeben. Die dort stationierten amerikanischen Soldaten haben ihn kulturell angefixt. Basketball, Baseball, Sneakers und nicht zuletzt Hip-Hop hat er hier lieben gelernt. In der elften Klasse besuchte er eine amerikanische Highschool, später lebte er zwei Jahre in New York, um an der Cornell University über das Thema Finanzmärkte für seine Promotion zu forschen. „Ich bin Transatlantiker und schätze dieses widersprüchliche Land“, sagt er. „Die Leute haben einen so optimistischen Spirit.“

Danyal Bayaz hat seit seiner Geburt den deutschen und den türkischen Pass. Sein Vater kommt aus Istanbul und hat in Deutschland als Journalist gearbeitet. Seine Mutter stammt aus Hessen. Seine türkischen Wurzeln haben für ihn keine besondere Rolle gespielt, auch mit Rassismus kam er kaum in Berührung. „Wenn ich das sage, muss ich mir manchmal Vorwürfe anhören, wo ich denn aufgewachsen bin“, sagt er. „Habe ich damals nicht richtig hingeschaut, war ich zu naiv oder hatte ich einfach Glück mit meinem Umfeld?“ Heute spornt ihn das an, sich gegen Rassismus zu stellen und für demokratische Werte einzusetzen – dazu gehört für ihn auch die Erinnerungskultur in unserer Einwanderungsgesellschaft. Gerade war er für die Initiative „GermanDream“ in zwei Schulen, um mit den Kindern und Jugendlichen zu diskutieren.

Mit grünen Ideen schwarze Zahlen schreiben – das hat ihn 2005 dazu bewogen, Mitglied der Grünen zu werden. „Ich bin ein großer Anhänger der sozialen Marktwirtschaft“, sagt er. „Aber heute braucht sie kein kleines Update, sondern ein richtiges Upgrade.“ Sein Anspruch ist, die soziale Marktwirtschaft für den digitalen Kapitalismus zu rüsten und sie nachhaltig und wirklich sozial zu gestalten. „Da will ich im Bundestag etwas bewegen.“ Bevor Danyal Bayaz 2017 in den Bundestag gewählt wurde, studierte er Wirtschaft und Politik und arbeitete als Unternehmensberater bei der Boston Consulting Group. Ein guter Job, weil er in seinen Projekten immer direkt Veränderungen sehen konnte. Da geht es im Bundestag und gerade in der Opposition etwas anders zu. „Dafür kann man hier Debatten anstoßen, über Positionen und Ideen diskutieren, sie wachsen und sich verändern lassen“, sagt er. „Das ist es doch, was Politik eigentlich bedeutet.“ Und den Freiheitsgrad schätzt er als großes Privileg. „Einerseits werde ich durch mein Büro und den Kalender stark gefordert, andererseits kann ich meine Themen und Termine sehr selbstbestimmt wählen.“

Seine Arbeitsfelder im Bundestag sind nicht gerade klassisch grün: Finanzmärkte, Digitalisierung, Fintechs, Kryptowährungen und künstliche Intelligenz – doch alles sind fordernde Zukunftsthemen. Außerdem ist er Start-up-Beauftragter. „Unserer Industrie ist der Drang zu Innovationen abhandengekommen. Dabei brauchen wir neue Ideen, wenn wir bei grünen Technologien, künstlicher Intelligenz oder auch neuen Formen der Bildung vorne dabei sein wollen. Aus der öffentlichen Verwaltung werden diese Innovationen eher nicht kommen“, sagt er. „Gründerinnen und Gründer sind Anpacker, die Ideen umsetzen und gestalten wollen – wie wir Grüne.“

Was ihn im Bundestag allerdings stört: „Wie wir Politik machen, hat sich kaum weiterentwickelt.“ Deshalb hat er mit anderen Parlamentsneulingen eine Arbeitsgruppe gegründet, um Ideen zu entwickeln. „Ich wäre zum Beispiel total offen, aus diesen Büros hier herauszugehen und interfraktionelle Coworking Spaces einzurichten. Dort trifft dann einer meiner Mitarbeiter Kollegen anderer Fraktionen und tauscht sich aus. Das wäre eine neue Offenheit. Raus aus der Blase!“, sagt Danyal Bayaz. „Wir müssen mutiger sein.“

Ein Porträt von Tim Meyer, zuerst veröffentlicht in profil:GRÜN, Ausgabe 9/2019, September 2019