Rede von Laura Kraft BAföG

Laura Kraft
13.06.2024

Laura Kraft (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Studierende und Auszubildende! Wo wären wir heute eigentlich ohne BAföG? Ich für meinen Teil wäre vielleicht gar nicht hier.

(Hannes Gnauck [AfD]: Das wäre wohl das Bessere!)

Denn ich hätte wahrscheinlich nicht studieren können, und somit wären prägende Ankerkoordinaten meines Lebens ganz anders gesetzt. Ich hätte in Siegen-Wittgenstein nicht meine Wahlheimat gefunden, nicht meine Freude an der Wissenschaft entdeckt und wohl auch nicht meine Leidenschaft für die Politik. Ich hätte mich wahrscheinlich nicht getraut, eine berufliche Richtung einzuschlagen, allein weil sie meiner Neigung entspricht, oder sogar ein Auslandsjahr in Betracht zu ziehen. Ja, ich hätte in letzter Konsequenz wahrscheinlich nicht einmal meinen Ehemann kennengelernt; denn den habe ich auch an der Uni getroffen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Aha!)

– Nicht dafür; das war mehr Zufall.

Warum konnten meine Eltern mich eigentlich ermutigen, zu studieren, und zwar alles, was ich will? Weil es BAföG gibt. So wie mein Großvater meinen Vater ermutigen konnte; denn schon seit 50 Jahren verändert BAföG Bildungsbiografien. Ich denke, es gibt viele solche Erfahrungen, auch hier im Parlament.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ja, BAföG ist seit jeher das wichtigste Instrument für mehr Bildungsgerechtigkeit. Zum Abschluss verholfen hat mir aber ehrlicherweise nicht allein das BAföG, sondern vielmehr der beste Currywurstimbiss im Siegerland – danke, liebe Chefs! Denn zur Wahrheit gehört auch, dass das BAföG seit Jahren seinen Zenit in der Erfolgsgeschichte überschritten hat. Immer weniger junge Menschen bekommen überhaupt BAföG, und wenn, dann reicht es nicht zum Leben. Wenn wir Bildung für alle wollen, dann müssen wir es auch allen ermöglichen, unabhängig vom Geldbeutel der Eltern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Diese Trendwende umzukehren, das haben wir uns in der Koalition vorgenommen. Dazu legen wir mit der 29. BAföG-Novelle nun die dritte Reform in nur einer Legislaturperiode vor – mit wesentlichen Verbesserungen.

(Zuruf der Abg. Gitta Connemann [CDU/CSU])

Wir etablieren mit der Studienstarthilfe erstmalig ein wichtiges Instrument, um jungen Leuten ein Studium zu ermöglichen, deren Familien besonders wenig Geld zur Verfügung haben. Wir bauen eine Brücke ins Studium.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Denn junge Menschen aus Bedarfsgemeinschaften können unkompliziert 1 000 Euro erhalten für die ersten Anschaffungen vor dem Studium. Das kann zum Beispiel der Umzug, eine Mietkaution oder auch einfach die Anschaffung eines Laptops sein. Das Konzept trägt eine grüne Handschrift nach dem Vorbild aus Schleswig-Holstein. Das freut mich an dieser Stelle besonders.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Jens Brandenburg [Rhein-Neckar] [FDP])

Als weitere strukturelle Verbesserung bzw. Neuerung sehen wir ein Flexisemester vor, mit dem wir auch endlich über die Regelstudienzeit hinaus BAföG-Bezug ermöglichen. Das BAföG muss sich endlich an die reale Studierendensituation anpassen; sonst bleiben Studierende weiterhin auf der Strecke. Deswegen ermöglichen wir auch einen späteren Fachrichtungswechsel; denn das Studium verläuft halt nicht immer so wie geplant.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Endlich!)

Wir Grüne haben uns noch einmal deutlich für erhebliche Verbesserungen des ersten Entwurfs der Novelle eingesetzt. Die finanzielle Notlage vieler Studierenden nehmen wir sehr ernst. Eine Nullrunde im BAföG, auch bei den Bedarfssätzen, war für uns untragbar. Und auch die im Entwurf vorgesehene Erhöhung der Darlehensobergrenze haben wir im parlamentarischen Verfahren gestrichen; denn Studierende brauchen in der Situation, in der sie jetzt sind, nicht mehr Schulden, sondern sie brauchen einen auskömmlichen Lebensunterhalt. Somit bringen wir das größte BAföG-Reformpaket auf den Weg, das es bisher gab.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wir haben eine Studienstarthilfe, ein Flexisemester, die Verlängerung bei Fachrichtungswechsel, eine Erhöhung der Freibeträge um insgesamt über 27 Prozent. Das bedeutet: Wir weiten die Gruppe derjenigen, die BAföG überhaupt erstmalig bekommen können, wesentlich aus. Wir haben den Grundbedarf um insgesamt 11 Prozent erhöht. Wir haben die Wohnpauschale erhöht. Wir haben den Kinderbetreuungszuschlag angehoben. Wir haben mehr Geschwisterunabhängigkeit und die Digitalisierung der Antragstellung erreicht. Wir haben eine Anpassung an die Minijobgrenze. Und wir haben mitten in der Krise zwei Heizkostenzuschüsse gezahlt und eine Einmalzahlung für die Studierenden geleistet; denn wir wollten die Studierenden nicht im Regen stehen lassen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Dr. Götz Frömming [AfD]: 200 Euro!)

Und wir haben parallel das Programm „Junges Wohnen“ auf den Weg gebracht, damit wir auch abseits vom BAföG etwas für Studierende angesichts des angespannten Wohnungsmarkts tun. Und wir haben ein bundesweites Semesterticket eingeführt.

Aber wie soll es jetzt weitergehen? Das BAföG darf jetzt nicht da stehen bleiben. Ich hätte mir gewünscht, dass es auch einen Anpassungsmechanismus gibt. Es wird die Aufgabe einer nächsten Koalition sein, da noch dran zu arbeiten. Denn BAföG muss sich immer mit bewegen; das haben wir im Laufe der letzten 50 Jahre gelernt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Nur dann kann BAföG zuverlässig Bildungsaufstieg ermöglichen.

Ich möchte mich bei allen Kolleginnen und Kollegen bedanken, die mitgewirkt haben. Und dass die Union dieser Reform, die jetzt so dringend notwendig ist, nicht zustimmt, das ist das eigentliche Armutszeugnis hier.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Jetzt freue ich mich auf eine bessere Rede!)

Präsidentin Bärbel Bas:

Als Nächste hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion Gitta Connemann.

(Beifall bei der CDU/CSU)