Rede von Leon Eckert Grenzkontrollen
Leon Eckert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Es ist heiß. Sie sind um 3 Uhr nachts aus Italien losgefahren, um den Stau zu umgehen. Sie sind seit Stunden unterwegs. Alle sind genervt. Hinter Ihnen die Kinder, tickende Zeitbomben; die Situation kann jederzeit eskalieren. Sie wollen einfach nur nach Hause. Das Navi zeigt an: Bald kommen Sie an die deutsche Grenze. Und dann? Dann fahren Sie an das Ende des Grenzstaus heran, in dem Sie noch ein paar Stunden verbringen werden.
(Alexander Throm [CDU/CSU]: Ach, so ein Quatsch!)
Das, liebe Urlauberinnen und Urlauber, ist die Vision der Union, die in diesem Antrag steckt.
(Alexander Throm [CDU/CSU]: So ein Unsinn! – Nina Warken [CDU/CSU]: Das ist ja zynisch!)
Und das mit einiger gedanklicher Verrenkung; denn im Antragstext stehen noch Sätze wie:
„Die offenen Grenzen … sind eine historische Errungenschaft. Unser … Leben … wäre ohne offene Grenzen nicht mehr vorstellbar.“
Doch am Ende des Antrags wird dann eine 180-Grad-Wende vollzogen, und es werden ganz platt Grenzkontrollen gefordert.
Wichtig ist aber das, was die Union im Antrag eben verschweigt und Herr Throm in seiner Rede eben auch nur kurz angerissen hat: Sie wollen stationäre Grenzkontrollen. Das ist der eigentliche große Dissens. Ich denke, alle demokratischen Fraktionen hier im Haus stehen für Sicherheit in unserem Land.
(Alexander Throm [CDU/CSU]: Nein, Sie nicht! – Mechthilde Wittmann [CDU/CSU]: Sie nicht!)
Das geht aus unserer Sicht aber ohne stationäre Grenzkontrollen besser – mit flexibler Polizeiarbeit in der Grenzregion. Denn die von der Union geforderten stationären Grenzkontrollen haben enorme Schwächen, und das verschweigen Sie im Antrag und in all Ihren Redebeiträgen.
Da ist zum einen, dass diejenigen, die Kontrollen umgehen wollen, genau wissen, welche Stellen permanent kontrolliert werden.
(Zuruf der Abg. Mechthilde Wittmann [CDU/CSU])
Und was machen diese Personen? Die fahren einfach außenrum. Also ist man mit flexibleren Kontrollen einfach viel besser aufgestellt als mit den stationären.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das wissen Sie genauso wie wir, und das weiß die Deutsche Polizeigewerkschaft. Das sagt sie auch jedes Mal, wenn stationäre Grenzkontrollen gefordert werden. Nur, die Union hört nicht darauf.
Weiter. Die CSU zeigt, wie man eine ganze Grenzregion in wirtschaftliche Geiselhaft nimmt. Mit Ihren Kontrollen an der bayerisch-österreichischen Grenze entsteht ein enormer wirtschaftlicher Schaden für die Unternehmen dort. Pendeln wird zur Qual, Warentransporte werden zum Glücksspiel. Die Handelskammern im ganzen Land warnen vor den Auswirkungen der stationären Grenzkontrollen.
Was will die Union eigentlich? Wollen Sie englische Verhältnisse, wo im Supermarkt Tomaten rationiert werden, weil die Lieferketten nicht mehr funktionieren? Ich denke, nicht.
(Mechthilde Wittmann [CDU/CSU]: DDR-Zustände in Bayern! – Alexander Throm [CDU/CSU]: Um Gottes willen!)
In der Innenpolitik der Union knallt es anscheinend so sehr, dass wirtschaftspolitischer Sachverstand völlig ausgeschaltet wird.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Als wäre das nicht genug, offenbaren Sie, dass Sie den Draht zur Bundespolizei in dieser Frage völlig verloren haben. Sie sagen, Sie haben keine einzige Beschwerde gehört. Dann haben Sie aber nicht mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern in den Grenzregionen gesprochen, geschweige denn mit den Polizistinnen und Polizisten, die da im Einsatz sind. Die sagen ganz deutlich: Stationäre Grenzkontrollen bedeuten einen maximalen Personalaufwand für unklaren Mehrwert.
(Alexander Throm [CDU/CSU]: Ja, das ist klar! – Dr. Götz Frömming [AfD]: Sonst gibt es ja gar keinen!)
In der Bundespolizei sind wie in allen Organisationen Personalressourcen endlich. Ihre Forderung nach stationären Grenzkontrollen heißt in Wahrheit: Für den zweifelhaften Erfolg stationärer Grenzkontrollen werden wir Polizistinnen und Polizisten von wirklich wichtigen Einsätzen abziehen. Damit schaffen Sie erst die Gefährdungslagen, und das ohne Not.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Götz Frömming [AfD]: Und Sie lassen Kriminelle ins Land! In Massen!)
Ich halte fest: Die offenen Grenzen zwischen den Ländern der Europäischen Union sind ein Garant für Freiheit, für Nachbarschaft, für Wohlstand. Die Union will alle drei Errungenschaften niederreißen. Sie kämpfen gegen unsere Unternehmen insbesondere in den Grenzregionen. Sie kämpfen gegen unsere Bundespolizei. Sie kämpfen gegen die, die einfach nur in den Urlaub fahren wollen. Viel Schaden für zwei Seiten Papier.
Sehr geehrte Damen und Herren, die stationären Grenzkontrollen müssen aus unserer Sicht nach der Europameisterschaft und Olympia enden.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Götz Frömming [AfD]: Jede Stunde ein Messerangriff! Und die Grünen schauen zu!)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat Konstantin Kuhle für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)