Online-Veranstaltung Kultur geht weiter
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Uhrzeit | Programm |
19.00 | Beginn der Veranstaltung |
20.30 | Ende der Veranstaltung |
- Die Corona-Krise hat gezeigt, auf welchem dünnen Eis der Kulturbetrieb steht.
- Wie ein Kontrastmittel macht die Pandemie soziale und ökonomische Verwerfungen innerhalb des Kulturbetriebs sichtbar.
- Bei unserem live aus dem Berliner Club Gretchen gestreamten parlamentarischen Abend zur Kulturpolitik diskutierten wir mit prominenten Gästen die Probleme der Kulturszene, Lehren aus der Pandemie und unsere Ideen für eine krisenfeste Kultur.
Eine Lehre aus der Pandemie muss sein, den Kulturbetrieb krisenfester zu machen. Kultur ist mehr als ein Sahnehäubchen für gute Zeiten: Kultur ist ein Resonanzraum, in dem sich eine Gesellschaft kritisch über sich selbst verständigt. Oder mit den Worten Igor Levits: „Kunst und Kultur erinnern uns daran, wer wir sein können, sie haben die Verpflichtung, für das Zwischenmenschliche und das Gemeinsame einzutreten.“
So formulierte es der Pianist in einem Videostatement, das er uns zu unserem aus dem Berliner Club Gretchen gestreamten Kulturabend schickte. In dem Videostatement von Pamela Schobeß, der Macherin des Clubs Gretchen, klang das so: „Kultur ist ein must have, denn viele Menschen und Orte hängen an ihr!“
Abstruse Widersprüche
Durch den Abend führte die Journalistin Vivian Perkovic. Nachdem ein vorab extra im Gretchen aufgezeichneter Auftritt der R&B-Künstlerin Dalee fast ein bisschen Melancholie auslöste („Ach ja, das waren noch Zeiten, als es Konzerte gab…“), ging es im ersten „Talk“ zwischen der Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckardt, der Schriftstellerin Mirna Funk und der Kunsthistorikerin und Journalistin Julia Grosse vor allem um Gerechtigkeitsfragen: Wie kann es zum Beispiel sein, dass Busse und Bahnen verkehren, aber Museen trotz hervorragender Hygienekonzepte nicht öffnen dürfen?
„Das sind abstruse Widersprüche, hier geht die Logik flöten“, meine Mirna Funk. Julia Grosse, Mitbegründerin und Chefredakteurin der Kunstplattform Contemporary And (C&), sprach die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Künstlerinnen und Künstlern an. Deren soziale Lage stehe in Widerspruch zur gesellschaftlichen Bedeutung, die Kultur zugeschrieben wird: „Wenn Kultur der ‚Spiegel der Gesellschaft‘ ist, dann ist es schräg, wenn Künstler*inne ihre Miete nicht bezahlen können.“ Zugleich äußerte Grosse die Sorge, dass vor allem weniger etablierte Kulturbereiche langfristig unter der Krise leiden werden.
Katrin Göring-Eckardt verwies auf die grüne Forderung eines „Existenzgeldes“ bzw. „Selbständigengeldes“. Das würde verhindern, dass viele Kulturschaffende und Menschen hinter der Bühne den Kulturbetrieb verlassen und in andere Branchen abwandern. Auf die Frage, was nach der Krise anders sein könnte, tröstete Mirna Funk das Publikum zuhause mit ein bisschen Zuversicht: In Zukunft würden bestimmt viel mehr Kulturveranstaltungen ins Netz übertragen, so dass auch Leute auf dem Land mehr Kultur verfolgen könnten.
Diversität als Chance
In einem aufgezeichneten Gespräch mit der grünen Abgeordneten Dr. Kirsten Kappert-Gonther äußerte Dr. Berndt Schmidt, Intendant des Berliner Friedrichstadt-Palastes, die Befürchtung, dass nach der Krise als erstes an der Kultur gespart werde. Deshalb brauche die Kultur starke Fürsprecher*innen in der Politik. Die Diversität des Kulturbetriebs könne dabei als Ausweis ihrer gesellschaftlichen Relevanz dienen.
Nach einem ebenfalls im „Gretchen“ aufgezeichneten Konzert von Ilgen-Nur ging es weiter mit einem Gespräch zwischen der Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth, der Schauspielerin und Musikerin Jasmin Tabatabai und dem Schriftsteller Albert Ostermaier über die Bedeutung von Kunst und Kultur für die Gesellschaft.
Kultur biete vor allem öffentliche Räume, in denen man anderen begegnen könne und den Menschen so die Möglichkeit gebe, nicht zuhause mit ihren Nöten alleine bleiben zu müssen, so Jasmin Tabatabai. Clubs, Kinos und andere öffentliche Orte seien deshalb wichtig für die „seelische Hygiene der Gesellschaft“, was sich schon daran zeige, dass die Leute während der Pandemie viel nervöser und aggressiver geworden seien.
Albert Ostermaier äußerte wie Dr. Berndt Schmidt die Sorge, dass es nach der Pandemie zu massiven Verteilungskämpfen komme könnte. Die Kultur werde dann wahrscheinlich aufgefordert, zurückzutreten, weil es Wichtigeres gäbe. Im anschließenden Gespräch mit Vivian Perkovic verwies Claudia Roth auf den Verfassungsrang von Kultur und Kultur als bedeutenden Wirtschaftsfaktor - sie müsse Pflichtaufgabe in den Kommunen und von diesen entsprechend ausgestattet werden.
Kultur ökologischer machen
Nach einem berührenden Konzert der Musikerin Tara Nome Doyle aus ihrer Kreuzberger Wohnung folgte der letzte „Talk“ zwischen dem kulturpolitischen Sprecher Erhard Grundl, der Künstler*innenmanagerin Fine Stammnitz und dem Musiker Pierre Baigorry von der Band Seeed. Dabei ging es um die andere große – und langfristigere - Krise: die Klimakrise. Wie kann der Kulturbetrieb ökologischer und im Sinne einer „Green Culture“ umgestaltet werden?
Angesichts der Corona-Krise könne „das Timing besser sein“, um diese Frage in Angriff zu nehmen, meinte Pierre Baigorry. Gleichwohl sei das Thema drängend und jeder gesellschaftliche Bereich habe seinen Beitrag zur Bewältigung der Klimakrise zu leisten. Kulturinstitutionen, die öffentliche Gelder bekommen, sollten darauf verpflichtet werden, CO2 einzusparen.
Fine Stammnitz, Gründerin und Geschäftsführerin von Green Touring Network, betonte, dass ökologische Nachhaltigkeit kein symbolpolitisches Trendthema bleiben dürfe, sondern in alle Abläufe integriert werden müsse. Dafür bräuchten Kulturschaffende Hilfe und Beratung.
Wir Grüne im Bundestag haben dazu unser „Green Culture“-Konzept vorgelegt, das Erhard Grundl näher erläuterte.
Zum Finale gab es ein kleines, feines Konzert von Christiane Rösinger. Nach den letzten Tönen ihres Songs „Eigentumswohnung“ schlossen die Zuschauer*innen zuhause das Bildschirmfenster … sicherlich in der Hoffnung, dass der nächste Kulturabend der grünen Bundestagsfraktion wieder physisch stattfinden kann.